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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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ich brauche einen Platz für die Nacht.« Sigmund spürte die Welle der Wärme, die von ihr ausging. In seinem Rücken prickelte etwas, als er den sanften Schwung der vollen Brüste unter dem weiten Kittel sah. Sie trug um den Hals eine wertvolle Bernsteinkette, aber sie war barfuß, hatte kräftige Arme und eine sonnengebräunte Haut wie eine Bäuerin. Will sie vergewaltigt werden? überlegte er finster. Wenn sie in die Berge wandert, wo die Gesetzlosen leben und einen wildfremden Mann um Unterkunft bitten, dann hat sie bestimmt kein Recht, sich über das zu beklagen, was dann geschieht. Natürlich würde er nicht... aber andere bestimmt... Sigmund sprang von seinem Felsen und landete direkt vor der Frau. »Ich teile gern mein Essen mit dir und auch meine Höhle für die Nacht«, erwiderte er. »Aber ich warne dich, vielleicht findest du das, was ich dir zu bieten habe, ärmlich und wenig unterhaltsam.« Sie lächelte und zeigte fleckige, aber gesunde Zähne. »Ich habe etwas Proviant mit auf den Weg genommen. Es ist genug da, um mit dir zu teilen. Wie heißt du, oder soll ich dich einfach Waldläufer nennen?«
    »Ich heiße Ernstur und bin der Sohn von Nawan«, antwortete Sigmund langsam. »Ich habe keine Angehörigen mehr außer einer Schwester, die von mir so weit entfernt ist wie die Sonne vom Mond. Und wer bist du, Frau, die du allein durch das Land der Trolle und Wölfe wanderst?«
    »Ich heiße Freydis«, erwiderte die Frau, »und bist du ein Troll oder ein Wolf, Ernstur? Antworte schnell, denn beides kannst du nicht sein.«
    Ihre Schlagfertigkeit überraschte Sigmund, und er mußte lachen. Keine Frau hatte so mit ihm gesprochen außer seiner Schwester Siglind, als sie noch Kinder waren.
    »Vermutlich ein Wolf«, sagte er. »Kommst du mit in meine Höhle?«
    Freydis kicherte, schob sich eine Locke aus der Stirn und schlug die Augen nieder. Dann blickte sie ihn durch lange, gebogene Wimpern an. »Ich weiß nicht«, flüsterte sie spöttisch, »ich habe gehört, es ist in Wolfshöhlen gefährlich, und dort können einer Frau schreckliche Dinge widerfahren.« Sie lachte wieder. Es klang seltsam unbeschwert und mädchenhaft. In gespielter Scheu legte sie die rundlichen Hände auf den Mund. Sigmund schätzte, daß sie älter war als er, vielleicht um die dreißig - und doch, dachte er plötzlich, sie wirkt wie eine Jungfrau vor der Hochzeitsnacht, die sich in ihrer Weiblichkeit sonnt, aber ihrer noch nicht ganz sicher ist. Dummkopf, rief er sich schnell zur Ordnung,
    du hast zu lange keine Frau mehr gesehen, das ist alles. Vielleicht...
    Von der Sonne sah man nur noch einen roten Rand über dem Horizont, als die beiden die Höhle erreichten. Aber an diesem Frühsommerabend blieb es noch lange hell, und Sigmund entzündete ein paar Fackeln aus Zweigen, die lustig flackerten. Die schlecht gegerbten Kaninchenfelle, die ihn den Winter über warm gehalten hatten, lagen über den Decken seines Lagers. Der Kopf des Eruliers war in einer roh gezimmerten Holzkiste mit einem Runenkreis aus Blut auf dem Deckel in der dunkelsten Ecke verborgen. Zwei Sitze aus Elchhaut, ein großer und ein kleiner, standen rechts und links von der Feuerstelle. An der Decke der Höhle hing geräuchertes Fleisch. In dem Tontopf über dem Feuer kochte eine Suppe aus Elchfleisch und wildem Lauch.
    Freydis wählte den kleineren Sitz und rutschte mit ihrem breiten Becken so lange hin und her, bis sie bequem saß. Sie holte aus dem Beutel einen großen runden Käse und einen Krug mit einer engen, verschlossenen Öffnung. »Brot habe ich leider nicht«, sagte sie seufzend, »es war ein harter und langer Winter.«
    Als Sigmund den Käse sah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Freydis zog den Stöpsel aus der Öffnung des Kruges und reichte ihn Sigmund. Er verschluckte sich, als er zu gierig die dicke, sahnige Milch trank, und mußte schnell die Lippen zusammenpressen, um nicht alles auszuspucken. Sie stand auf, beugte sich über ihn und klopfte ihm mit ihrer starken Hand den Rücken, bis er wieder frei atmen konnte. »Du hast wohl schon lange keine Milch mehr getrunken«, sagte sie lachend. Ihre Brüste schwangen sanft hin und her, als sie den Käse auseinanderbrach und ihm das größere Stück gab. Mit hochrotem Kopf bedankte er sich, tauchte die beinerne Kelle in den Topf und füllte zwei Holzschalen mit der Elchsuppe. Der Käsegeschmack brachte eine Saite in ihm wieder zum Klingen. Seit er zu Hause aufgebrochen war, hatte er keinen Käse mehr

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