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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Kälte bis in das Mark seiner Knochen fraß. Gegen seinen Willen blickte er doch zu der Stelle, wo er Regin zur letzten Ruhe gebettet hatte. Aber er sah die Leiche neben Fafnirs bleichem Gerippe nicht; nur seltsam geformte Steine waren von dem Toten geblieben. Ein Schauer lief Sigfrid über den Rücken. Er wurde den Gedanken nicht los, daß er zu den Toten gekommen war, um sie zu bestehlen. Sigfrid ging vorsichtig tiefer in die Höhle und sah sich um. Er entdeckte neben dem Gold die Überreste von Truhen, die mit Eisenbändern und -nägeln zusammengehalten worden waren, die ahnen ließen, wie die beiden Brüder, Fafnir und Regin, den Schatz vor vielen Generationen hierhergebracht hatten. Sigfrid betrachtete seine Satteltaschen und begriff, daß er in ihnen noch nicht einmal den zehnten Teil des Rheingolds mitnehmen konnte. Doch er erinnerte sich an Regins Worte: »Wer das Wesen dieses Goldes wirklich kennt, weiß, was er tun muß...« Die Zwerge hatten Regin das Geheimnis verraten. Aber was sollte er jetzt tun?
    Sigfrid ballte die Fäuste, seine Augen begannen zu tränen, als er auf das Gold starrte. »Regin, was hattest du mit dem Gold vor?« flüsterte er. Sigfrid hielt den Atem an und lauschte in der Hoffnung auf eine Antwort, aber es blieb still. Schließlich bückte er sich und begann, Gold in die Satteltaschen zu packen. Es faßte sich schleimig an wie verwesendes Fleisch. Sigfrid spürte zwar das Prickeln der großen Kraft und Macht des reinen Metalls, aber für ihn war es so unangenehm wie Wespenstiche. Ich werde soviel nehmen, wie ich kann, dachte er mit zusammengebissenen Zähnen.
    Die Sonnenstrahlen fielen schon lange nicht mehr in die Höhle, aber Sigfrid hatte den Eindruck, das Gold um ihn herum beginne immer stärker zu glühen. Er atmete schwer, kauerte erschöpft auf dem Boden und legte die Hände auf das Gold. Der Schatz schien ein feuriger Fluß zu werden, der sich in seine Adern brannte wie flüssiges Gold, das in den Felsen dringt und in den dunklen Tiefen des toten Riesen Ymirs erstarrt, wo die Zwerge hausen und ihre wundersamen Werke vollbringen. Flüssiges Gold - Sigidrifa hatte ihm die Rune Fehu gezeigt: Gold, Hader und Streit der Sippe, die gewundene Feuerschlange und die auflodernde Flamme.
    Halb träumend sang Sigfrid diese Rune und zeichnete sie auf das Gold. Der Atem seines Galdor-Gesangs wehte durch die Höhle und erhob sich wie ein rauschender Wind, der das Feuer entfachte, das um ihn herum heller und heller glühte, bis Regins Gestein und Fafnirs Knochen in den Flammen wie auf einem Scheiterhaufen brannten. Sigfrid glaubte, die ganze Höhle fülle sich langsam mit Gold, das klirrend und prasselnd aufeinanderfiel. Mit jedem Atemzug verschmolz es mehr mit ihm, wurde zu seiner Kraft, wurde er selbst, und nur Gram an seiner Seite mit dem reinen Kristall bewahrte seine menschliche Gestalt und schützte seine Seele. Sigfrid griff nach den Satteltaschen, öffnete sie mit der linken Hand und lenkte den Goldstrom mit der rechten, um sie zu füllen. Dabei sang er noch lauter die Rune Fehu - Fehu, die Feuerkraft, ungebändigt wie eine Flamme, die alles verbrennt.
    Der glühende Goldstrom floß in seine Satteltaschen, bis nur noch der rotgoldene Schatten des Horts in der Höhle war. Als es dunkel wurde, erschienen plötzlich viele helle Gestalten mit einer riesigen Feuerschlange, die sie gefesselt hatten. Sie wand und krümmte sich unter dem grünen Gift aus dem Rachen einer zweiten Schlange. Sigfrid spürte, wie der Felsen unter dem Aufbäumen des gefesselten Feuers erbebte. Trotzdem war alles nur ein Spiel der Schatten, tanzendes Licht auf dem dunklen Wasser im Brunnen des Schicksals, in dem er die Zukunft sah. Die Flammen schlugen höher und höher, und in ihrem Schein sah er eine Stadt mit einer mächtigen römischen Burg. Das ist Worms, dachte er staunend, denn er hatte die Stadt noch nie gesehen. Wilde Reiter stürmten in Scharen durch die Straßen und legten Brände. Die Funken wehten über das Land und entzündeten wie brennende Pfeile auch das Dach von Alprechts Halle. Seine Krieger kämpften gegen die wilden Reiterscharen, deren Übermacht sie in die brennende Halle trieb. Dort lag Alprecht erschlagen, und Sigfrid hörte den Klageruf seiner Mutter. Dann stand nicht Herwodis am Tor, sondern Brünhild. Das Feuer legte sich ihr wie eine Schlinge um den weißen Hals, ihr Gewand fing plötzlich an zu brennen und entflammte ihre blonden Haare. Brünhild brannte lichterloh.
    Sigfrid sprang auf,

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