Rheingold
beziehen - Hagen...
Haken - und einen falschen Schluß daraus ziehen.
Sigfrids Drachenring glitt mühelos von ihrem Finger, als habe sie ihn nicht sechzehn Jahre getragen. Hagen wird ihn mir zurückschicken, dachte sie. Er wird verstehen, daß es Attila nur um das Rheingold geht, und sie in größter Gefahr schweben, wenn sie der Einladung folgen. Gudrun riß ein langes Wolfshaar aus dem Fell, wickelte es um den Ring und rollte ihn dann in das Pergament. Attilas schräge Augen wurden schmale Schlitze, als er sah, was sie tat. »Was soll das bedeuten?« fragte er. »Ich habe auf dem Pergament nicht genug Platz, um einen vernünftigen Satz zu schreiben. Aber mit dem Ring sage ich meinen Brüdern, wenn sie mir nicht den Ring zurückbringen, sind sie räuberische Wölfe«, log Gudrun, »jeder bei uns wird das verstehen.« Ihr Mann nickte zufrieden, als sie ihm die Pergamentrolle reichte. »Gut.«
»Wo ist der Römer?«
»Ich habe ihn zurückgeschickt. Er hat mir gesagt, daß du nicht sehr freundlich zu ihm gewesen bist.« Attila lachte und zog sie an sich. Der harte Lederpanzer an ihrer Wange war unangenehm. Gudrun schloß die Augen und ließ ihren Mann die geflochtenen Zöpfe streicheln. Sie glaubte, den gefährlichen Schatten zu spüren, der ihn umgab und als dunkle Schwertseele nie von seiner Seite wich. Gudrun fürchtete sich nicht, aber von jetzt an mußte sie noch sehr viel wachsamer sein.
»Möchtest du den neuen Wein trinken?« fragte sie. »Ich habe die Fässer in deiner Abwesenheit abladen und in die Vorratshäuser bringen lassen.«
*
»Du hast heute mit Wolfhart gekämpft...«, sagte Attila später, als sie vor dem Feuer in der Halle saßen. Er hatte bereits sechs Becher Wein getrunken, und die dunkle Haut seiner Wangen überzog eine hitzige Röte. »Das hatte wohl mein Traum zu bedeuten...«
»Was hast du geträumt?«
Gudrun hatte wenig getrunken. Sie blickte immer wieder auf den Finger, an dem Sigfrids Ring fehlte, und ein dumpfer Schmerz schien ihren Arm zu lahmen. »Ich habe geträumt, daß du mit einem Schwert auf mir liegst!« Er lachte leise und leerte noch einmal den Becher, den er sich gleich wieder füllen ließ. »Ach, meine kleine wilde Stute, ich glaube nicht, daß du so wild bist.«
»Du bist betrunken«, erwiderte sie ruhig, »du solltest jetzt schlafen gehen. So etwas sagst du nur, wenn du betrunken bist.« Er griff nach ihren Zöpfen und zog sie zu sich. »Natürlich bin ich betrunken. Ich bin mit dem Wein von Stutenmilch groß geworden ... glaubst du, daß gallischer Wein mir etwas anhaben kann?«
»Du hast zu viel getrunken.«
»Ich habe noch mehr geträumt«, erwiderte er unbeirrt und ließ sie plötzlich los, »von Hagen weiß ich, daß die Frauen bei euch Träume deuten können.«
»Nicht alle Frauen, aber erzähl mir deinen Traum.«
»Ich habe geträumt, daß zwei Schilfgraspflanzen hier wachsen, und ich wollte, daß sie groß werden. Aber dann wurden sie mit den Wurzeln herausgerissen. Sie bluteten, und ich mußte sie essen. Dann habe ich von zwei Falken geträumt. Ich warf sie in die Luft, aber sie fanden keine Beute und flogen in das Land der Geister. Ihre Herzen wurden in Honig getaucht, und ich glaubte, sie zu essen. Dann schienen zwei Welpen vor mir zu liegen. Sie bellten laut, und ich aß gegen meinen Willen ihr Fleisch.«
Gudrun wollte etwas sagen, aber Attila stand schwerfällig auf und schüttete den Wein in das Feuer, das zischte und qualmte. Er drehte sich um und stellte mit einem lauten Knall den Becher auf den Tisch, dann zog er das Schwert und stieß es in die Flammen. »Meine Geister sollen das schlechte Zeichen von mir abwenden! Du mußt nichts dazu sagen.« Er sah sie mit drohend verzerrtem Gesicht an. »Schweig, sonst schlage ich dir den Kopf ab!« »Ich sage, was ich will!« erwiderte Gudrun stolz. »Steck dein Schwert in die Scheide und geh ins Bett. Du hast zu viel getrunken, und von zuviel Wein hat man oft schlechte Träume. Aber deine Träume haben keine Bedeutung. Vergiß nicht, bei allem was du auch vorhaben magst, rate ich dir, spiele nicht mit dem Schicksal. Überlege dir die Folgen gut, denn dann wirst du es nicht tun. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Höre auf mich, denn sonst wird Hella dich holen!«
»Versuch nicht, mir Angst zu machen, Frowe. Ich kann jederzeit eine andere an deine Stelle setzen. Meine Konkubine Hedlo hat mir gerade einen Sohn geboren... einen Sohn nur mit Hunnenblut!«
»Du kannst keine andere Frau an meine Stelle
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