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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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rief zu Hause an.
    Sandra ließ sich Zeit und war außer Atem. »Ich bin eben hereingekommen. War noch mit Ella zusammen. Sie hat sich ein neues Kleid gegönnt. Es ist schließlich Premiere.«
    Also doch! Und dazu musste er auch noch Ella und ihren zugeknöpften Lebensgefährten erdulden.
    »Ach, Schatz …«
    Sandra fiel ihm ins Wort. »Ich habe die Karten vor Wochen gekauft. Du weißt, wie kompliziert das mit Jörgs Arbeitszeiten ist.«
    Der große Schweiger arbeitete im Schichtdienst auf dem Frankfurter Flughafen. Obwohl er bei jedem Treffen stumm wie ein Fisch vor sich hin glotzte und sich ein Bier nach dem anderen reinkippte, hatten sich alle Verabredungen nach ihm zu richten. »Ich muss ins Büro. Kannst du nicht allein gehen, Schatz?«
    Er holte zu einer längeren Rechtfertigung aus, aber Sandra hörte gar nicht zu.
    »Du hast sie wohl nicht alle! Willst du unsere Freunde vor den Kopf stoßen?«
    »Ich wusste nicht, dass man mit Leuten befreundet sein kann, die nie ein Wort mit einem wechseln. Ich weiß ja nicht mal, was Jörg auf dem Flughafen so treibt. Ich will es gar nicht wissen.«
    Er drückte das Gespräch weg und schaltete das Handy aus.
    Das Domizil der Agentur lag an Wiesbadens nördlichem Stadtrand, der bis an die bewaldeten Hänge des Untertaunus heranreichte. Die Adresse ›Unter den Eichen‹ hatte sich im Lauf der Jahre zu einem Zentrum für Medienfirmen aller Art entwickelt. Bernhards Jeep stand auf dem reservierten Platz, alle anderen Firmenparkplätze waren frei, wie nach 17 Uhr zu erwarten war. Inga war sicherlich auch schon gegangen. Martin nahm seine Tasche mit der Kleidung zum Wechseln und schritt dem Gebäude entgegen. Die Radlerschuhe hatte er für die Autofahrt gegen Sandalen getauscht.
    Bernhard stand am Schreibtisch und schmeichelte Beschwörungen ins Telefon. Dabei behielt er den Eingang durch die offene Bürotür im Blick. Die strategisch günstige Lage kam ihm oft genug zugute. Mit einem herrischen Winken befahl er Martin heran und bedeutete ihm zu warten, um sich dann demonstrativ abzuwenden und in das Telefon hineinzulauschen, unterbrochen von Beschwichtigungen. Martin lehnte sich gegen den Schreibtisch und betrachtete seine Radlerwaden. Das Trikot war getrocknet, und der Schweißgeruch umhüllte ihn mit einer eigentümlichen Note, die dazu ansetzte, sich konzentrisch im Raum auszubreiten.
    Er gab Bernhard ein Zeichen und flüsterte: »Ich gehe duschen!«
    Bernhard umfasste das Telefon und hieb mit dem Zeigefinger der freien Hand ein symbolisches Loch in den Teppichboden. »Nichts da! Du bleibst!«
    Mit finsterer Miene wich er Martins Blick aus, unablässig bemüht, seinen Gesprächspartner zu besänftigen. »Danke für Ihr Entgegenkommen. Selbstverständlich hat das Konsequenzen. Ich melde mich wieder. Bis dann.«
    Sein Ton wandelte sich schlagartig, als er das Telefon auf den Schreibtisch packte, sich zu Martin umdrehte und brüllte: »Van der Val will mir den Vertrag kündigen! Weil er deine Oberlehrermanier nicht erträgt.«
    Martin wich einige Schritte zurück. »Der soll sich nicht so anstellen.«
    »Du hast ihn einen dekadenten Schmierfinken genannt!«
    Martin machte einen entschlossenen Schritt nach vorn. »Ist der Schmierfink auch eine Petze?«
    Bernhards schwere Wangen färbten sich dunkelrot. »Nicht nötig! Ich habe deine Mails gelesen.«
    Martin erstarrte. »Du warst an meinem Computer?«
    Bernhards Gesichtsfarbe regulierte sich bis auf zwei tiefrote Flecken auf Höhe der Nase. Er wirkte abgekämpft. »Dein Passwort ist immer noch ›Superbiker‹. Super originell!«
    »Das werde ich sofort ändern.«
    »Spare dir den Aufwand. Du bist gefeuert!«
    Martin versuchte ein spöttisches Lachen, das als Krächzen versiegte.
    »Bemerkenswert, dass du es mit Humor nimmst«, stellte Bernhard mit eiskalter Ruhe fest. »Meine Warnschüsse hast du wohl auch für einen Scherz gehalten? Dir bleiben zehn Minuten. Dann hast du dein Büro geräumt.«
    Der nimmt mich auf den Arm, dachte Martin. Das kann er nicht ernst meinen. »Hör zu, ich biege das mit van der Val gerade. Lass mich mit ihm reden und …«
    Bernhard sah auf die Uhr. »Neuneinhalb Minuten! Die Zeit läuft. Das Finanzielle regelt mein Anwalt. Raus!«
    Verdattert schlich Martin über den Flur. Gott sei Dank war um diese Zeit niemand mehr im Haus. Das Blut schoss ihm ins Gesicht. Was ging in Bernhard vor? Seinen besten Freund so zu demütigen. Im Büro leerte Martin den Papierkorb auf dem Teppichboden aus und räumte den

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