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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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betrügt?«
    »Sie meinen, so wie ich diesen Freund hintergangen habe?«
    »Es steht mir nicht zu, darüber zu richten. Ich suche nach der Wahrheit.«
    »Ich traue Martin alles zu, was mit Lug und Trug zu vereinbaren ist.«
    »Woher stammt Ihr Hass gegen Martin?«
    Er lachte bitter. »Hätten Sie mich Anfang des Jahres gefragt, wer damals in Dresden mein engster Freund war, ich hätte Martin genannt. Bernhards Flucht in den Westen hatte uns zusammengeschweißt. Wir fühlten uns wie Krieger auf verlorenem Posten und schmiedeten eigene Fluchtpläne. Martin schaffte es mit Bernhards Unterstützung, und ich wurde von der Stasi abgeholt.«
    Hundegebell lenkte seinen Blick zu einem Paar, das in Sichtweite die Wanderkarte studierte und dabei von einem ungeduldigen Terrier umkreist wurde. Bedächtig fuhr er fort: »Es gab damals einen Jungen in unserer Clique, Achim. Er konnte mich nicht leiden, seit ich ihm die Freundin ausgespannt hatte. Mein Leben hätte ich darauf verwettet, dass er der IM war. Gegen Martin hegte ich nicht den geringsten Verdacht. Auch nicht in den Jahren, die ich nach der Wende in Wiesbaden verbrachte. Ich war ihm dankbar für seinen Beistand. So wie ich durch den Wind war, nach allem.«
    Norma wechselte das Bein. »Deshalb haben Sie darauf verzichtet, Ihre Stasiakten einzusehen?«
    Lambert verschränkte die Hände. »Wozu mich noch mehr quälen?, dachte ich. Ich hatte meinen Verräter. Über die näheren Umstände wollte ich lieber nichts wissen. Bis ich Achim traf.«
    »Wann war das?«
    »Im Februar. Ein purer Zufall. Im Grunewald beim Joggen. Er kam mir entgegen, völlig ahnungslos. Ich habe ihn am Schlafittchen gepackt und ihm ein bisschen Angst gemacht. Für etwas muss das Gefängnis gut sein. Trotzdem hat er alle Vorwürfe bestritten. Daraufhin bin ich endlich zur Birthler-Behörde gegangen. Der Besuch hat mir die Augen geöffnet. Martin hat preisgegeben, was ich allein ihm im Freien und unter vier Augen anvertraut hatte. Da konnte sonst niemand mithören.«
    »Sind Sie seinetwegen nach Wiesbaden gekommen? Um ihn zur Rede zu stellen?«
    Zwischen den Bäumen radelte Lenny heran. Das Bergseil hing über seiner Schulter.
    Lambert winkte seinem Sohn zu, bevor er antwortete: »Die Frage stellte sich nicht. Der Auftrag des Hessenfernsehens lag schon vor.«
    »Wollen Sie die Stasimethoden an Martin ausprobieren?«
    »Sparen Sie sich Ihren Zynismus, Frau Tann.« Lambert kickte einen Stein ins Laub. »Er hätte eine Strafe verdient, dieser Feigling. Aber nach gestern Abend ist mir der Hunger auf Rache vergangen. Das ist mir zu armselig.«
    Lenny sprang vom Rad. »Stell dir vor, ich habe meinen Schlüssel wieder! Er lag unter dem Beifahrersitz.«
    Er stieg in den Gürtel, während der zweite Junge das Seil ordnete. Lambert begann mit den Aufnahmen. Von seinem Kameraden gesichert, erklomm der Sohn die Felswand.
    Lambert nahm die Kamera herunter. »Alles klar, Lenny!«
    Lenny legte den blonden Schopf in den Nacken und lachte. »Den nächsten Durchgang schaffe ich schneller.«
    »Klettern Sie auch, Frau Tann?«, fragte er, als er wieder unten war.
    »Ich brauche festen Boden unter den Füßen«, bekannte sie. »Aber Sie machen Ihre Sache sehr gut.«
    »Ein Kinderspiel, wenn man am Seil hängt. In den Blue Mountains gibt es andere Herausforderungen.« Er lächelte, als er Normas fragenden Blick bemerkte. »Ein Klettergebiet in Australien. Traumhaft schön.«
    »Was ist mit dem Ayers Rock?«
    »Niemals! Dort klettert man nicht, obwohl es nicht direkt verboten ist. Der Berg ist den Ureinwohnern heilig. Nach ihrem Glauben lebt in dem Felsen die Regenbogenschlange. Sie hat die Welt erschaffen.«
    »Auch hier soll es Schlangen geben. Nicht heilig. Dafür aus Fleisch und Blut.«
    Lenny staunte. »Echt? Giftige?«
    Norma lachte. »Völlig harmlos, wird behauptet. Ich habe hier noch nie eine Schlange gesehen.«
    Lenny wollte eine andere Route versuchen. Norma sah noch eine Weile zu, bevor sie sich verabschiedete und auf den Hauptweg zurückkehrte. In der Ferne rief ein Kuckuck. Sie blieb stehen und lauschte. Wie viele Jahre hatte sie diesen Vogel nicht mehr gehört. Sie fühlte sich an ihre Kindheit erinnert und ertappte sich dabei, dass die Hand in der Hosentasche nach Kleingeld suchen wollte. Wer Geld dabei hat, wenn der Kuckuck ruft, wird niemals arm, erzählten sich die Leute in ihrem Dorf.

15
    Martin träumt vom Eis. Die Welt des Traums ist eiskalt. Er liegt mit dem Rücken auf einem Eisblock. Die Neigung ist

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