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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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verliebte sich in den Rhein und die Taunuswälder und lebte sich rasch ein. Als sie auf Arthur traf, schien das Glück erneut auf ihrer Seite. Er war Kunsthistoriker, lebenserfahren, charmant und humorvoll, ebenso belesen wie gebildet, kurz gesagt: Das Gegenteil von Hauptkommissar Jan Petersen aus Bremen. Nach wenigen Monaten wurde geheiratet, und das Paar bezog die Wohnung über Arthurs Antiquitätengeschäft in der Taunusstraße. Im Beruf gingen beide ihrer Passion nach. Er verkaufte Gemälde und antike Möbel, sie verfolgte böse Machenschaften, und jeder liebte am anderen genau die Eigenschaften und Vorlieben, die ihm selbst nicht gegeben waren. Mit den Jahren jedoch schliff sich der Reiz der Gegensätzlichkeiten ab. Das Schiff der Ehe dümpelte in der Flaute und sollte mit einer Reise nach Kolumbien frische Fahrt aufnehmen. Arthur förderte einen jungen kolumbianischen Maler. Durch eine unverzeihliche Torheit, die Norma nicht ausschließlich ihrem Mann anrechnen durfte, fielen sie einem Trupp der terroristischen Farc in die Hände, der sich ein lohnendes Geschäft erhoffte. Die Situation entwickelte sich kritisch, als Arthur die Nerven verlor. Die Angst hätte Norma ihm verziehen, nicht aber den Verrat. Nach wenigen Tagen war alles überstanden. Sie kamen gegen ein Lösegeld frei und kehrten augenscheinlich unversehrt nach Wiesbaden zurück. Doch die Welt war nicht mehr wie zuvor. Normas Körper spielte verrückt. Sie ertrug Arthurs Gegenwart nicht. Alltägliche Besprechungen im Kommissariat lösten Panikattacken aus. In engen Räumen glaubte sie zu ersticken. Bei jedem metallischen Klicken setzte ihr Herzschlag aus. Anweisungen von Vorgesetzten machten sie krank. Es gab nur eine Rettung: Sie musste raus. Aus der Ehe. Aus der Hierarchie im Beruf. Allein mit diesem Entschluss fühlte sie sich besser. Sie kündigte, zog nach Biebrich, besuchte Kurse und legte eine Prüfung als Private Ermittlerin ab. Mit viel Optimismus begann sie ein neues Leben. Kaum hatte sie sich darin eingerichtet, geriet die Welt wiederum aus den Fugen. Freunde wurden zu Feinden, ein Feind zum Freund. Sie wusste nicht mehr, wem sie trauen durfte. Zum zweiten Mal in ihrem Leben richtete jemand eine Waffe auf sie.
    Und nun war dieser Brief gekommen, der ungeöffnet in der Schublade schmorte. Mit dem Stempel der Justizvollzugsanstalt. Hatte der Anwalt zu einer Entschuldigung geraten, um das Gericht milde zu stimmen? Der Gedanke an den Prozess ließ ihren Herzschlag davongaloppieren. Sie blieb auf dem Rücken liegen, atmete ein und atmete aus und wartete darauf, dass das Herz sich beruhigte. Danach blieb sie liegen und machte sich auf weitere Reaktionen des Körpers gefasst, bis sie der eigenen Kraft wieder vertrauen mochte.
    Beim Duschen dachte sie über ihren Auftrag nach. Betrachtete sie ihre Ergebnisse nach der Gefühlslage, war sie durchaus vorangekommen. Wenn man dagegen von den Fakten ausging, traten die Ermittlungen auf der Stelle. Also musste sie Fakten schaffen. Mit DNA, zum Beispiel. Mit wenigen Handgriffen erledigte sie die notwendigen Vorbereitungen und zwang sich danach zu einem Frühstück. Kaffee, Brot, etwas Marmelade, eine Scheibe Käse. Dass sie seit der Schulzeit vegetarisch lebte, kam für ihre Mutter, die niedersächsische Bauersfrau, einer persönlichen Beleidigung gleich. Als 10 Uhr verstrichen war, holte sie die Telefonliste, um die sie Inga gebeten hatte, und wählte den Privatanschluss von Martin Reber. Sandra Reber war sofort dran. Normas Bitte beantwortete sie mit der schroffen Auskunft, ihr Mann sei nicht zu sprechen.
    »Darf ich es später wieder versuchen?«, fragte Norma höflich.
    »Ich kann Ihnen gar nichts sagen!«
    Die Verbindung brach ab.
    Norma öffnete das Dachfenster und hielt nach dem Kater Ausschau, der sonst gern diesen luftigen Weg nahm, sich in diesen Stunden jedoch von Eva verwöhnen ließ, die am vergangenen Abend von einer Klassenfahrt zurückgekehrt war. Über die Nachbardächer hinweg erspähte sie einen Zipfel des Rheins. Blaugrau schimmerte der Strom in der Sonne. Ihr schoss ein Bild durch den Kopf: die tote Marika auf dem Grund des Flusses, verfangen in Schlingpflanzen, das Gesicht hinauf zum Licht gedreht. Der Traum der vergangenen Nacht! Kaum erinnerte sie sich an den Inhalt, drängte es sie, ihn sogleich zu vergessen.
    Ein Schwarm Tauben flatterte vorüber, und von der Straße klangen Kinderstimmen herauf. Kein Tag, um zu Hause zu bleiben und trüben Gedanken nachzuhängen! Sie schloss das

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