Rheinsteigmord - Kriminalroman
Unterbewusstseins, das Schreiben vor sich herzuschieben.
Wobei er sich fragen musste, warum er das überhaupt tat. Er wollte es ja. Es machte Spaß. Er träumte davon, Schriftsteller zu sein – vielleicht kein berühmter, zumindest nicht am Anfang, aber wenigstens überhaupt einer –, und dazu musste er ja nur eines tun, nämlich schreiben.
Trotzdem schob er es ständig vor sich her. Sicher, er machte sich hier und da eine Notiz oder riss in einem Anfall von Kreativität ganze Seiten oder Kapitel herunter, aber es wurde nie ein Buch daraus.
Fred hatte einiges darüber gelesen, hatte sich intensiv damit befasst, wie berühmte Autoren mit diesem Problem umgegangen waren. Und schließlich gemerkt, dass auch diese Lektüre ihn wieder nur vom Schreiben abhielt.
Aber diesmal würde er dieser seltsamen Blockade den Kampf erklären. Er würde etwas schaffen in den nächsten Wochen. Er würde seinen Roman schreiben. Seinen Kriminalroman.
Er verstaute die Lebensmittel unter dem höher gelegten Bettgestell, mit dem Isabel für Stauraum gesorgt hatte. Dann setzte er sich vor die Olympia und bewegte das Rad für die Zeilenschaltung, sodass der Kapitelbeginn genau ins Schussfeld der Typen kam. Er ixte den Satz, den er geschrieben hatte, sorgfältig durch. Dann schrieb er darunter: »Die Frau in Orange« .
Er überlegte, wie der Satz weitergehen konnte.
»strich ihr Haar zurück«
»hob den Kopf«
»sah auf ihren Computermonitor«
Er bemerkte, dass ihn die Gäste auf der Caféterrasse aus beobachteten. Sie sahen ihm zu, wie er auf den Fahrersitz stieg, Chandlers Motor anließ und sich in den Verkehr einfädelte.
In null Komma nichts war Fred durch den Ort, er passierte wieder den Supermarkt, erhaschte im Vorbeifahren einen Blick auf den Römerplatz mit dem Wandgemälde und erreichte den Bahnhof.
An der Wendeschleife vor der Bushaltestelle hielt er an und dachte nach. Er würde für die Nacht einen Stellplatz brauchen. In Bad Hönningen hatte er entsprechende Schilder für Wohnmobilfahrer gesehen. Offenbar gab es da einen Campingplatz, auf dem man sich einmieten konnte. Fred stellte sich eine Ansammlung weiß glänzender Dächer vor, die in Reih und Glied auf einer Wiese standen.
Wie sollte Chandler, nachgewiesenermaßen ein Individualist, dort hineinpassen?
»Das ist nichts für uns«, sagte Fred in die Stille hinein und war selbst etwas erschrocken, dass der Bulli für ihn nun tatsächlich eine Person war. Ein Reisegefährte.
Schön wäre ein Platz irgendwo direkt am Rhein. Wo einen das Plätschern der Flusswellen sanft in den Schlaf wiegte. Wo er am Morgen die Aussicht auf das Tal genießen konnte, um dann ein, zwei Seiten zu schreiben – wenn er nicht gerade weiter an seinem Fall arbeitete. Was sich aber erledigt hätte, wenn die drei Tage erst mal um waren, weil er dann Frau Friesdorf melden würde, dass ihr Mann einfach nicht auffindbar war. Dass er alle Spuren verfolgt hatte und sich nun besser die Polizei darum kümmerte.
Der Gedanke versetzte Fred einen Stich. Es sollte doch möglich sein, der Frau zu helfen. Er stieg aus, ließ die Tür offen und widmete sich noch einmal dem kleinen Stadtplan. Sicher war es besser, in der Nähe zu bleiben, bis sich herausstellte, dass Friesdorf den Ort tatsächlich verlassen hatte.
Wenn Fred wirklich seriös arbeiten wollte, musste er das ganz große Besteck auspacken und zum Beispiel sämtliche Busfahrer befragen. Dazu jeden, der in dem kleinen Erker am Bahnsteig Dienst verrichtet hatte. Am besten würde er durch den Ort laufen und jedem das Foto zeigen. Ob ihm Haustein dabei helfen konnte?
Wissen Sie, Frau Friesdorf, die Spur Ihres Mannes verliert sich in dem kleinen Ort Rheinbrohl, wo immerhin ein paar tausend Leute leben. Aber ich habe einen Vertrauten gefunden, der mir vor Ort hilft. Nein, besondere Kosten entstehen dadurch nicht. Ich wollte Ihnen nur zeigen, dass ich dranbleibe.
Fred fand auf dem Plan den Bahnhof, vor dem er gerade stand. Er sah, dass die Straße ein Stück weiter eine Linkskurve machte und dann auf die Bundesstraße mündete. Unterhalb der Stelle, wo sich das Ehrenmal und die Ley befanden.
Ein Teil des Ortes drängte sich an die Rheinhügel, der andere erstreckte sich in Richtung der Ebene. Fred suchte auf der Karte den Rheinverlauf ab, um einen guten Platz für die Nacht zu finden. Ein großer Abschnitt des Ufers wurde von einem Industriegebiet belegt, von dem Fred im Moment nicht wusste, welche Art von Betrieben sich dort niedergelassen
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