Rheinsteigmord - Kriminalroman
geliehen, den sie zum Wohnmobil ausgebaut hat.«
»Na, dann haben Sie ja Glück, dass das Wetter etwas besser geworden ist.« Er gab Fred den Ausweis zurück.
»Sagen Sie – sind Sie sicher, dass es ein Unfall war?«, fragte Fred.
»Dazu habe ich nichts gesagt. Glauben Sie, jemand hat sie hinuntergestoßen?«
»Nein, nicht direkt …«
»Nicht direkt. Aber indirekt? Sagen Sie bitte, was Sie wissen.«
»Sie war dort oben auf der Ley vielleicht nicht allein.«
»Da haben Sie aber eben was ganz anderes gesagt.«
»Ich habe keine weitere Person gesehen. Aber Sie hat jemanden erwartet. Jemanden, den sie noch nicht kannte.«
Der Polizist kniff die Augen zusammen und fixierte Fred ein, zwei Sekunden lang. »Woher wissen Sie das?«
Fred beschrieb ihm, wie er unter dem Schutzdach gesessen hatte und die Frau aufgetaucht war und ihn angesprochen hatte. »Das war auch schon alles. Sie war wohl mit einem Mann verabredet. Und hat mich gefragt, ob ich es bin.«
»Aber Sie waren es nicht? Der, mit dem sie verabredet war?«
»Habe ich das nicht gesagt? Ich bin nach einer Weile aufgestanden und zurückgegangen. Die Frau habe ich nicht mehr gesehen. Ich saß ja am Ehrenmal. Zur Ley geht es noch ein Stück weiter rauf. Wahrscheinlich ist sie dorthin weitergegangen. Ich bin jedenfalls wieder runtergelaufen.«
»Und könnte es nicht vielleicht sein, dass Sie doch mit der Frau verabredet waren, aber dann einen Rückzieher gemacht haben, als Sie sie sahen? So manches Blind Date bringt ja auch unangenehme Überraschungen. Wenn man sein Gegenüber erst mal von Angesicht zu Angesicht sieht.«
»Nein, Sie liegen falsch. Es war, wie ich gesagt habe.«
Jetzt malte der Beamte wieder. »Eine Frage hätte ich aber noch, Herr Bleikamp. Wie viel Zeit mag zwischen dem Moment, in dem die Frau da oben ankam, und dem Moment, in dem sie abstürzte, vergangen sein?«
Fred dachte nach. »Eigentlich habe ich sie ja gar nicht wirklich stürzen sehen … Ich sah den orangefarbenen Fleck. Da war sie schon den Hang hinuntergefallen. Zumindest ein Stück. Dann rutschte sie endgültig ab.«
Mein Gott, dachte er. Als ich sie bemerkte, lebte sie vielleicht noch. Sie hing an dem Felsen und kämpfte darum, wieder hinaufzukommen.
»Verstehe«, sagte der Beamte. »Anders gefragt: Wie viel Zeit ist zwischen Ihrer Begegnung und dem Moment vergangen, in dem Sie uns alarmierten?«
Fred dachte, dass er ja im Grunde nicht einmal sicher sein konnte, dass es sich um dieselbe Frau handelte, und äußerte das auch. »Könnte ich die Tote mal sehen?«, fragte er.
»Können Sie. Aber beantworten Sie bitte erst meine Frage.«
Was hatte er nach der Begegnung mit der Frau gemacht? Er hatte sich noch eine ganze Weile da oben aufgehalten. Dann war er von der Ley zurück in den Ort hinunterspaziert und bei Edeka einkaufen gegangen. Das hatte sicher dreißig, vierzig Minuten gedauert. Dann zum Auto. Noch mal zehn oder fünfzehn Minuten. In die Tasten gehauen. Zum Bahnhof gefahren. Nachgedacht. Die Karte angesehen. Noch mal zehn. Mindestens.
»Ich denke, so rund anderthalb Stunden.« Ihm fiel ein, dass er auf die Uhr gesehen hatte, als er am Ehrenmal saß. Es war kurz nach fünf gewesen. Jetzt war es acht. Fred erklärte es dem Beamten. »Sie brauchen nur zu überprüfen, wann mein Notruf reinkam«, schloss er.
Der Uniformierte malte. Dann klappte er das Büchlein zu.
»Kommen Sie«, sagte er und stieg aus. Ein schwarzer Wagen fuhr gerade heran. Der dunkle Sack lag abseits auf dem Boden. Der Beamte öffnete ihn ein Stück. Es gab ein reißendes Geräusch, dann konnte Fred das Gesicht der Toten sehen.
»Das ist sie«, sagte Fred.
»Danke, Herr Bleikamp. Ihre Handynummer haben die Kollegen vom Notruf ja schon aufgenommen. Falls wir noch Fragen haben, kommen wir auf Sie zu.«
Der Leichenwagen rangierte. Fred wandte sich ab und ging zum Bahnhofsvorplatz, wo Chandler stand. Als er den Bulli erreichte, sprangen die Straßenlampen an. Die Dämmerung war hereingebrochen. Oben, wo immer noch die Einsatzfahrzeuge standen, fiel flackerndes blaues Licht auf den Felsen. Es sah aus wie ein besonderer Effekt bei »Rhein in Flammen«.
Fred setzte sich auf den Fahrersitz, holte sein Handy heraus und bemerkte mit einem Blick auf das Display, dass eine SMS angekommen war. Von Charly.
Darüber reden wir noch, du Arschloch.
Er klickte die Nachricht weg und wählte die Nummer der Auskunft. »Die Telefonnummer von Daniela Hecht in Koblenz, bitte.«
»Es gibt nur einen Eintrag
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