Rheinsteigmord - Kriminalroman
hatte. Nach Bad Hönningen hin gab es ein grünes, freies Stück, das an einem schwarzen Balken über den Rhein endete – das Zeichen für die Fähre. Daneben war in kleiner Schrift etwas eingetragen: Beginn des obergermanisch-rätischen Limes . Hier musste der nachgebildete Turm stehen, von dem Haustein ihm erzählt hatte.
Dort oder an einer anderen Stelle in der Nähe war es vielleicht möglich, die Nacht zu verbringen.
Fred faltete das Blatt zusammen. Er wollte bereits wieder einsteigen, da streifte sein Blick die senkrechte dunkle Klippe, die sich riesenhaft und drohend über ihm in die Höhe reckte. Dort oben, wo die kleine Fahne wehte, war er vorhin gewesen. Und ein Stück weiter unten – was leuchtete denn da?
Er kniff die Augen zusammen. Da war etwas Helles am Hang. Gab es dort noch einen Aussichtspunkt? Eine Art Plattform? Welcher Weg führte dorthin?
Er nahm sich noch einmal die Karte vor, aber an der Stelle, an der er den hellen Fleck ausgemacht hatte, waren nur ganz verallgemeinernd grüne Bereiche eingezeichnet. Die Linien, die Wege darstellten, verliefen weiter oben – genau da, wo Fred gewesen war.
Als er wieder hinaufsah, bemerkte er, dass das Helle dort oben eigentlich eine kleine orangefarbene Fläche war.
Auf einmal stürzte das Ding in den Abgrund. Es flatterte im Wind, und Fred erkannte eine Silhouette – klein wie ein Püppchen.
Aber es war kein Püppchen, das da in die Tiefe fiel.
Es war ein Mensch.
8
Dort, wo die Rheinbrohler Hauptstraße auf die Bundesstraße traf, schickte ein Schild den Autofahrern ein herzliches »Auf Wiedersehen« entgegen. Es wehten Fahnen, die auf den Rheinsteig und die Deutsche Limesstraße hinwiesen. Dahinter blinkten Blaulichter von Streifenwagen und Fahrzeugen der Feuerwehr.
Eine Spur der Bundesstraße war abgesperrt, auf der anderen zuckelte der Verkehr wechselweise in Richtung Bonn und Neuwied dahin – geregelt von einem Polizisten, der inmitten des Chaos aus Geschiebe, Abgasqualm und Gehupe stand. Am Hang arbeitete die Bergungsmannschaft – Männer, die aussahen, als kämen sie aus dem Hochgebirge, mit Helmen und Gestellen für Kletterseile. An ihren Gürteln klackerte Werkzeug.
Hinter Fred, der inmitten einer Traube von Neugierigen an der Absperrung stand, kam Gemurmel auf. Das surrende Klicken von Digitalkameras war zu hören. Zwei der behelmten Männer ließen mit Seilen etwas nach unten, das in einem dunklen Plastiksack steckte.
Ein uniformierter Polizist, der eben noch mit den beiden Kollegen gesprochen hatte, die nach Freds Anruf als Erste hier eingetroffen waren, kam auf die Absperrung zu. Zwischen zwei wartenden Dienstfahrzeugen überquerte er die Straße und sprach Fred an.
»Sie sind Herr Bleikamp, oder? Kommen Sie bitte mit.«
Er hob das Flatterband, damit Fred darunter durchschlüpfen konnte, und wies auf einen der Polizeiwagen. Fred setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Schließen Sie die Tür. Dann sind wir ungestört.« Der Beamte nahm auf dem Fahrersitz Platz und schlug ein Notizbuch auf.
»Das Opfer ist eine Frau, richtig?«, sagte Fred. »War es ein Unfall? Wissen Sie das schon?«
Der Polizist sah erstaunt auf. »Konnten Sie das von hier unten sehen? Dass es sich bei der Toten um eine Frau handelt, meine ich.«
Fred erklärte, dass er am Nachmittag auf der Ley gewesen war und eine dunkelhaarige Frau gesehen hatte. »Sie trug orangefarbene Kleidung. Als ich die Person fallen sah, erkannte ich die Farbe und dachte mir, dass es sich um diese Frau handeln muss.«
Misstrauen flackerte in den Augen des Polizisten auf. »Sie haben sich ja eingehende Gedanken gemacht. Kannten Sie die Frau näher?«
»Nein, gar nicht. Es war reiner Zufall, dass wir uns begegnet sind. Das heißt … haben Sie schon einen Namen?«
»Sie hatte Papiere bei sich.« Er blätterte in seinem Notizbuch eine Seite zurück. »Sie hieß Daniela Hecht. Wohnhaft in Koblenz.«
»Nie gehört«, sagte Fred. »Ich war also dort oben und sah sie den Weg raufkommen. Es war sonst niemand da. Ich bin selbst das erste Mal in Rheinbrohl.«
Der Polizist schrieb sorgfältig etwas auf. »Also gut. Dann hätte ich noch gern Ihre Personalien.«
Fred zeigte ihm seinen Personalausweis, und der Mann notierte die Angaben gewissenhaft. »Sind Sie privat in Rheinbrohl?«, fragte er, während er die Buchstaben hinmalte.
Fred beschloss, seine beruflichen Gründe zu verschweigen. »Ich fahre ein bisschen den Rhein entlang. So was wie Urlaub. Eine Bekannte hat mir einen Bulli
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