Rheinsteigmord - Kriminalroman
Arbeit.«
»Ich habe versucht, dich zu Hause zu erreichen. Du gehst nicht ans Telefon.«
»Stimmt. Ich bin unterwegs.«
»Weit weg?«
»Nein. Ich habe in Rheinbrohl zu tun.«
»Herr Spalowsky weiß aber nichts davon.«
»Stimmt.«
»Der ist ganz schön sauer auf dich.«
»Hast du etwa mit ihm über mich gesprochen?«
»Ich habe mit dir sprechen wollen. Als du nicht da warst, habe ich ihn nur gefragt, wo du bist. Jetzt weiß ich es ja.«
Fred wunderte sich nicht mehr darüber, mit welcher Leichtigkeit Sarah die Dinge auf den Punkt brachte und ganz einfach aussprach. Ohne großes Drumherum. Er hätte gerne gewusst, was sie eigentlich von ihm wollte, aber es kam ihm unhöflich vor, zu fragen. Eine Tochter durfte ihren Vater anrufen, wann immer es ihr passte. Auch wenn sie längst ein eigenes Leben führte. Sarah war immerhin neunzehn Jahre alt, fast zwanzig.
Das hieß … Verdammt!
»Sarah, ich hab’s vergessen. Tut mir wirklich leid. Ich hätte dich anrufen sollen.«
»Das hat Mama auch gesagt, obwohl sie ja sonst nicht so sehr daran interessiert ist, dass wir Kontakt haben.«
Die Spaziergänger hatten jetzt den Parkplatz erreicht. Es waren zwei dicke Frauen mit einem Spaniel und einem hellen Labrador. Sie nahmen den asphaltierten Weg in Richtung Unterführung.
»Alles Gute zum Geburtstag«, sagte Fred ein wenig zu steif. »Nachträglich. Ein Geschenk kriegst du auch noch.«
»Danke«, sagte sie. »Ich kriege Geld. Wie immer. Weiß ich schon. Und dass du es vergessen hast, ist nicht schlimm. Ich feiere sowieso erst nach den Ferien. Was machst du gerade so? Warum arbeitest du ohne Herrn Spalowsky an einem Fall?«
»Hat er das gesagt? Dass ich ohne ihn an etwas arbeite?«
»Ja, hat er.«
Es mochte an Freds Schuldgefühlen liegen oder aber an seinem Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Er berichtete Sarah, worum es ging. Nur die Geschichte von den Schüssen im Wald ließ er weg.
»Den Sturz der Frau von der Ley haben sie heute im Radio in den Nachrichten gebracht«, sagte sie. »Ich glaube aber, dass du in der Sache auf dem falschen Dampfer bist.«
»Wie meinst du das?«
»Hm – da stimmt einiges nicht. Soll ich es dir erklären?«
»Schieß los.«
»Können wir uns treffen? Wo bist du genau?«
»Du willst herkommen?«
»Warum nicht? Ich bin eh gerade in Bonn. Hatte noch an der Uni zu tun. Du hast doch sicher einen Wagen, oder?« Er hörte sie im Hintergrund tippen. Wo immer sie auch war, Sarah hatte stets ihr kleines Notebook dabei, an dessen Finanzierung Fred sich beteiligt hatte.
»Was meinst du? Und woher weißt du, dass ich einen Wagen habe?«
»Ohne würdest du deine Ermittlungen wohl kaum durchführen können. Pass auf, du machst jetzt Folgendes: Du überprüfst diese CERACK GmbH. Du hast gesagt, die sitzen in Ransbach-Baumbach. Bis dorthin brauchst du höchstens eine Dreiviertelstunde. Du hast also genug Zeit.«
»Genug Zeit wofür?«
»Um rechtzeitig zurück zu sein, damit du mich am Bahnhof in Rheinbrohl abholen kannst. Mein Zug kommt um achtzehn Uhr zwölf an. Ich freu mich auf ein bisschen Abwechslung. Bis dann.«
Es tutete in der Leitung. Sie hatte aufgelegt.
Fred sah auf die Uhr. Der Ausflug nach Rockenfeld war ihm wie eine lange Reise vorgekommen, aber er war höchstens eine Stunde unterwegs gewesen. Der Zeitplan, den Sarah vorgeschlagen hatte, war gut zu schaffen.
Er betrachtete das kaputte Seitenfenster. Das Loch in der Scheibe wirkte auf ihn wie ein Auge, das ihn anstarrte. Am liebsten hätte er sich samt Chandler irgendwohin verkrochen und ein bisschen geschrieben. Aber um die Geschichte der Frau in Orange zu Papier zu bringen, musste er ihr Geheimnis erst einmal lüften.
Er stieg in den Bulli, startete den Motor und fuhr los.
14
Ein zweites Mal an diesem Tag nahm Fred die B42 in Richtung Koblenz, doch diesmal folgte er ihr nur bis Vallendar. Auf der rechten Seite lag Niederwerth – die einzige bewohnte Rheininsel, berühmt für ihren Spargel und ihre Erdbeeren. Die Niederwerther waren außerdem bekannt für ihre Feste. Fred erinnerte sich an einen seiner ersten Aufträge bei Charly. Es war darum gegangen, einen Angestellten einer Computerfirma zu überwachen, der sich immer dann wegen eines chronischen Rückenleidens krankmeldete, wenn es was zu feiern gab, wie der Arbeitgeber herausgefunden hatte. Nur die Beweise fehlten. Fred folgte ihm aufs Niederwerther Schützenfest, wo der Mann mopsfidel mit einer Freundin schwofte – von Rückenschmerzen sichtlich keine
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