Rheinsteigmord - Kriminalroman
geschrieben? Nein. Hast du auch nur einen einzigen wirklich guten Anfang, der über diese wenigen Sätze hier hinausgeht? Auch nein. Das ist doch der Beweis.«
Fred hatte kurz den Impuls, mit Sarah eine Diskussion anzufangen, aber schon jetzt fühlte er sich zu kraftlos dazu.
»Papa, du solltest nicht in einer Traumwelt leben. Ich glaube, das ist dein Problem.«
Fred war bisher gar nicht klar gewesen, dass er ein Problem hatte. Abgesehen davon, dass seine Wohnung unbewohnbar war und er versuchte, auf eigene Faust einen Fall zu lösen, an dem er sich irgendwie verhob und der ihn wahrscheinlich den Job bei Charly kosten würde, den er aber aus finanziellen Gründen brauchte.
»Wenn du so schlau bist«, sagte er, »kannst du mir ja einen Tipp geben.«
»Tue ich doch die ganze Zeit.«
»Ich meine, in einem echten Kriminalfall.«
Sie stand auf, drückte sich an Fred vorbei aus dem Wagen und sah ihn an. »Dazu habe ich mir auch schon Gedanken gemacht.«
Sie setzten sich auf die Bank, die an der Stelle stand, wo der Pfad über die Wiese begann und wo ein Lagerfeuer einen schwarzen Kreis in die Erde gebrannt hatte.
Fred holte Getränke aus dem Bulli. Sarah nahm eine Plastikflasche mit Wasser, trank einen Schluck und fuhr dann ihren kleinen Laptop hoch. Auf dem Bildschirm erschien die weiße Fläche eines Textverarbeitungsdokuments.
»Was haben wir?«, fragte Sarah, und sogleich tippte sie los. »Einen verschwundenen Professor. Der immer wieder auf Reisen geht, um irgendwas zu erforschen. Thema: Erster Weltkrieg. Er ist aus diesem Grund zu den Kriegsschauplätzen in Belgien, Frankreich und Holland gereist, war dann aber plötzlich in Rheinbrohl. Hat er zumindest gesagt.«
»Das hat er nicht nur gesagt. Er hat von hier aus seine Frau angerufen. Er hat dazu das Telefon von Frank Haustein benutzt, der zum Förderverein für das Ehrenmal gehört. Friesdorf hatte ihn nach einer Liste der Gefallenen gefragt.«
»Gut …« Sarah tippte, hob dann die Hände, drückte mehrmals die Entertaste und betrachtete das virtuelle Dokument. »Das ist also die eine Geschichte. Die andere ist die mit der toten Journalistin.«
»Daniela Hecht. Ich habe sie in der Nähe des Ehrenmals gesehen und sogar kurz mit ihr gesprochen. Sie hat sich dort oben mit jemandem treffen wollen, den sie nicht kannte. Sonst hätte sie mich nicht für ihn gehalten.«
Fred schilderte seine Begegnung mit der Journalistin. Sarah schrieb mit und runzelte dabei die Stirn. Schließlich schüttelte sie den Kopf.
»Was ist?«, fragte Fred.
»Langsam. Erst mal weiter. Du hast also untersucht, womit sich diese Frau Hecht befasst hat.«
Fred erklärte es ihr. Rheinbrohl. Rockenfeld. Die CERACK GmbH. Er schilderte die Begegnung mit Daniela Hechts seltsamem Bruder, der nebenan wohnte. Seinen Besuch in ihrer Wohnung. Und er ließ auch die Details nicht aus – zum Beispiel die Kleinigkeit, dass Wieland Hecht ein teures Messingschild an seiner Wohnungstür hängen hatte, seine Schwester aber nur einen Klebezettel. Und dass er ganz in Pink gekleidet gewesen war.
Sarahs Kopfschütteln hörte nicht auf.
»Nun sag doch endlich, was du denkst«, bat Fred.
Sie tippte zu Ende und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Das ergibt alles keinen Sinn.«
»Was soll das heißen? Es sind Fakten, und ich muss versuchen, sie in einen Zusammenhang zu bringen.«
»Fakten, ja. Aber Zusammenhang? Merkst du nicht, dass das nur ein Sammelsurium irgendwelcher Begebenheiten ist, die wahrscheinlich gar nichts miteinander zu tun haben?«
»Finde ich nicht. Es kann doch kein Zufall sein, dass Herr Friesdorf das Ehrenmal besucht und eine Frau, die zuvor telefonisch versucht hatte, ihn zu erreichen, dort kurz darauf umkommt.«
»Kein Zufall? Wieso nicht? Es sind alle möglichen Leute auf dem Ehrenmal. Da geht ein berühmter Wanderweg vorbei. Und dass Daniela Hecht bei ihm angerufen hat, heißt auch nichts. Dieser Friesdorf ist ein Experte. Journalisten telefonieren oft mit Experten, wenn sie etwas recherchieren.«
»Und dass ausgerechnet diesen beiden etwas passiert ist?«
»Was Herrn Friesdorf passiert ist, weißt du ja gar nicht. Vielleicht liegt er in irgendeinem Krankenhaus im Koma oder erfreut sich in Belgien oder Holland bester Gesundheit. Hast du nicht gesagt, er habe seine Reiserouten auch immer wieder mal verändert?«
Fred stand auf, umrundete die Feuerstelle und blickte in die Baumwipfel, hinter denen der Rhein floss. »Man kann diesen Zusammenhang doch nicht einfach
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