Rheinsteigmord - Kriminalroman
lange, dass es dein ganzes Denken beherrscht. Und das ist ja auch gut so. Aber als Detektiv kommst du damit nicht weiter.«
»Das sind ja tolle Aussichten«, brummte er.
»Sicher sind sie toll. Schließ den Auftrag bei dieser Frau Friesdorf ab. Oder mach noch ein paar Routineuntersuchungen und tu es dann. Und konzentriere dich auf dein Buch. Damit würdest du deiner Umgebung bestimmt die größte Freude machen. Mal abgesehen von dir selbst.«
Sie gingen zur Bank zurück. Sarah trank aus der Wasserflasche.
»Kannst du mich vielleicht nach Hause fahren? Oder wenigstens zum Bahnhof bringen?«
»Willst du schon wieder weg?«
»Ich habe heute Abend noch was vor.«
Fred versuchte ein Lächeln. Ich bin ein miserabler Vater, dachte er, und ihm kam ein weiterer Vorwurf in den Sinn, den er sich von Nina immer hatte anhören müssen: dass er ein Egoist war, der vollkommen in seiner eigenen Welt lebte. Jetzt hatte er wieder mal bewiesen, dass das stimmte. Er hatte sich noch nicht mal erkundigt, wie es Sarah ging. Ob sie einen Freund hatte. Wie das Studium lief.
Du hast noch nicht mal begriffen, was sie genau studiert, dachte er.
»Unternimmst du was mit einem Freund?«
»Mamas neuer Freund lädt uns zum Essen ein. Wenn er von der Arbeit kommt.«
So, so, Mamas neuer Freund. Fred hatte schon von ihm gehört, wusste aber nichts über ihn. Der Name war vielleicht gefallen, aber wenn, konnte sich Fred nicht an ihn erinnern.
»Er hat eine neue Stelle«, sagte Sarah. »Das will er feiern. Und meinen Geburtstag gleichzeitig mit.«
»Ich fahr dich nach Hause.«
Sarah wohnte bei Nina. Er musste ja nicht mit raufgehen.
»Das wäre wirklich toll von dir, Papa.«
* * *
Sie rollten durch den Berufsverkehr nach Tannenbusch und gelangten in die Oppelner Straße, wo ein Mietblock neben dem anderen stand, unterbrochen von schmalen Zugängen zwischen Laubbäumen. Am Ende musste Sarah Fred leiten. Er war höchstens drei Mal in Ninas Wohnung gewesen.
Als sie vor dem Eingang am Straßenrand hielten, blickte er an der Fassade des Mietshauses empor. Es wurde langsam dunkel. Die Straßenlaternen waren an, und hinter einigen Fenstern brannte Licht.
»Tschüss«, sagte Sarah. »Wenn ich meinen Geburtstag nachfeiere, haben wir mehr Zeit füreinander.«
Ja, dachte Fred. Dann werde ich Ninas Neuen kennenlernen. Toll. Er blickte an der Fassade hinauf. In welchem Stockwerk wohnten sie? Er hatte es vergessen. Für einen Moment war ihm, als zeigte sich hinter einem der erleuchteten Fenster eine dunkle Figur. Er blinzelte, dann war sie verschwunden. Vielleicht hatte er sie sich auch nur eingebildet. Er nickte Sarah zu.
»Mach’s gut.« Er sah ihr nach, wie sie an die Eingangstür ging und auf den roten Knopf drückte, der die Beleuchtung im Treppenhaus aufflammen ließ. Sie holte einen Schlüsselbund aus der Tasche, schloss auf und ging hinein.
Fred blickte nachdenklich hinter ihr her, bis das Licht wieder ausging.
16
Bis er zurückkam, war es endgültig dunkel geworden. Wie am Abend zuvor, als er den Lagerplatz gefunden hatte, glitten Chandlers Scheinwerfer über den Asphalt des kleinen Wegs, trafen die Bank, die Mülltonne, die Reste der Feuerstelle.
Als Fred den Motor abstellte, lastete die Stille wie ein Gewicht auf ihm.
Du bist einsam, dachte er. Aber wie Sarah es so schön formulieren würde: Du wolltest es ja so.
Diesmal war er vorbereitet. Auf dem Rückweg von Tannenbusch hatte er es kurz vor Ladenschluss gerade noch geschafft, in einem Baumarkt eine batteriebetriebene Lampe und ein kleines Radio zu erstehen.
Er installierte das Licht, setzte sich an seinen improvisierten Schreibtisch und starrte auf das Papier. Schloss die Augen und stellte sich Daniela Hecht vor, wie sie dort oben am Ehrenmal aufgetaucht war.
Sind Sie mit mir verabredet? Waren das ihre Worte gewesen? Oder eher: Warten Sie auf mich? Er wusste es nicht mehr. Und als er jetzt beide Versionen hinschrieb, hatte er es endgültig vergessen. Die Erinnerung war wie ein Parfümduft, den man nahezu unbewusst wahrnimmt und der im nächsten Moment verfliegt. Wie ein Traum. Schaumblasen, die platzen und in sich zusammenfallen.
Wahrscheinlich hatte Sarah recht. Er war gar kein Detektiv. Sein Kapital war nicht die Kombinationsgabe, sondern die Phantasie. Aber es war nicht genug Phantasie in ihm, um einen Roman zu schreiben.
Du sitzt zwischen zwei Stühlen, Fred. Auf keinem richtig. Und auf keinem hat dein Hintern Platz.
Er schaltete das Radio ein und suchte einen
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