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Rheinsteigmord - Kriminalroman

Rheinsteigmord - Kriminalroman

Titel: Rheinsteigmord - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: emons Verlag
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hinwegdonnern wie eine Urgewalt. Ein Gewitter. Die weiße Masse hinter dem Rohr ist der Himmel, der auf das Schlachtfeld hinabschaut. Das Rohr spuckt weiter Tod und immer wieder Tod – heulend, rasselnd, knatternd. Und sie, die in Panik davongerannt sind, stolpern über Stacheldraht, sacken in sich zusammen, kriechen durch den Schlamm, wollen zurück in die Erde, der sie entsprungen sind. Doch da werden bereits Neue geboren, die aus dem Urgrund auferstehen und die weite Wüste keines Blickes würdigen. Losrennen, die Gewehre in der Hand, um in Scharen zu fallen, aufzustehen, zu rennen und wieder zu fallen …
    Und wieder kommt das Ungeheuer, das sie alle niedermetzelt. Erst jetzt wird Fred klar, dass er das schon mal gesehen hat, diese rotierende Kette, die grauenerregende Kanone, die auf ihn zielt und etwas Helles ausspuckt, sich aufbäumt und Stacheldraht ebenso niederwalzt wie die behelmten Figuren, die irgendwo im Dreck liegen geblieben sind. Das schreckliche Gebrüll, wenn es Fahrt aufnimmt. Die schreckliche Kraft der rotierenden Ketten, die jetzt wieder ganz nah an Fred vorbeifahren, den Schlamm verdichten und zerquetschen. Die Schreie, das Donnern, das Heulen.
    Das Mahlen.
    Die Männer im Graben, immer noch schwarz vor Dreck, sie lächeln.
    Warum lächeln sie?
    Sind die bescheuert?
    Hinaus in die Wüste geht es, und da fallen sie. Das Rohr spuckt und donnert, immer und immer wieder.

18
    Als das Wüten in seinem Kopf endlich nachließ, als Fred erwachte und sein Kopf so klar war, dass er verstand, wo er war, lag er auf der Matratze im Bulli. Das Bettzeug roch säuerlich nach Schweiß. Noch immer spürte Fred den ekelhaften Geschmack im Mund. Er räusperte sich.
    Durst quälte ihn.
    Er setzte sich auf. Er hatte doch Wasser eingekauft. In der Schublade unter dem Bett musste es sein.
    Er glitt von der Matratze. Das Stechen im Rücken erinnerte ihn an Charlys Besuch. Es war nicht mehr so schlimm wie gestern. Nicht mehr so schlimm wie heute Nacht.
    In diesem Moment kam die Erinnerung.
    Schlecht geträumt, dachte er, zog die Schublade auf und entnahm ihr eine neue Flasche aus dem Sechserpack.
    Er trank und genoss die Kühle, die seine Speiseröhre hinunterglitt.
    Pinkeln.
    Dafür brauchte er das Chemieklo nicht zu benutzen. Die Büsche reichten.
    Er zog die Seitentür auf. Hoffentlich waren nicht wieder Hundebesitzer unterwegs. Es machte sicher keinen guten Eindruck, wenn man hier einfach wild pinkelte. Aber wenn er hinunter zum Rhein ging, sah ihn sicher niemand. Höchstens Leute von den Frachtschiffen, die sich ab und zu vorbeischoben.
    Fred atmete die frische Luft. Der Morgen war kühl. Der Sauerstoff machte ihn schwindlig. Er musste sich einen Moment auf die Kante der Seitentür setzen.
    Junge, Junge, du bist das Trinken nicht mehr gewohnt, dachte er. Wo war eigentlich die Whiskyflasche? Die musste auf jeden Fall leer sein, seinem Schädel nach zu urteilen. Obwohl er sich gar nicht daran erinnern konnte, so viel getrunken zu haben. Nur die eigenartigen Träume, die waren noch in seinem Bewusstsein. Diese Kriegsszenen. Kein Wunder, dass er so was träumte. Das war Friesdorfs Forschungsthema. Und zum Andenken an diese Gräuel stand dort oben auf der Ley das Ehrenmal.
    Fred nahm noch einen Schluck Wasser. In seinem Bauch gluckerte es. Da war wohl doch ein Besuch auf dem Chemieklo fällig. Oder er fuhr rüber zum Café Schmidt. Es war ja ohnehin Frühstückszeit. Doch bei dem Gedanken an Kaffee oder etwas Essbares wurde das flaue Gefühl noch schlimmer.
    Wahnsinn, wie plastisch seine Phantasie in dem Traum gewesen war. Er hatte wirklich den Eindruck gehabt, mitten in einem Kriegsgeschehen zu sein.
    Sarah hatte mal wieder recht. Er hatte mehr Phantasie als Verstand. Obwohl man das so extrem nun auch wieder nicht sehen konnte. Blöde war er ja nicht.
    Eigenartig, dass der Traum heute gar nicht in sich zusammenfallen wollte, wie es Träume sonst so an sich hatten. Träume waren doch Schäume, das hatte er gestern schon mal gedacht. Sie lösten sich auf wie kleine Bläschen, die tausendfach platzten und zu Nichts wurden.
    Fred nahm noch einen Schluck Wasser und wollte aufstehen, um sich einen Pinkelplatz zu suchen. Da fiel ihm auf, dass der Wagen gar nicht am Rhein stand.
    Nicht auf dem kleinen Parkplatz. Nicht an der Kante des kleinen Abhangs, der zu dem Kiesstreifen mit den Hochwasserhinterlassenschaften führte.
    Freds Verstand schien immer noch in Zeitlupe zu arbeiten. Nur nach und nach wurden ihm die Details

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