Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
zu Kohler, der ihm beipflichtete.
»Absolut, ja. So könnte es gewesen sein.«
Wieder an Hesse gewandt, deutete Seeberg mit dem Zeigefinger auf den immer unruhiger werdenden Verdächtigen.
»Sie trafen auf den gut gekleideten Mann und erkannten, dass dieser Kohle haben muss. Dann fielen Sie über ihn her, zerrten ihn durch die Baustelle bis hin zum Gewächshaus und stachen immer wieder auf ihn ein. Dann nahmen Sie sein Geld, wechselten irgendwo Ihre blutverschmierten Klamotten, verschafften sich einen Schuss, und als Sie wieder einigermaßen klar waren, riefen Sie die Polizei. Sie wussten, dass Sie in Ihrem Zustand möglicherweise Spuren hinterlassen hatten, und wollten mit dem Anruf davon ablenken.«
»Scheiße, nein.« Hesse schüttelte mit dem Kopf und zuckte nervös mit seinen Beinen. »Nein, so war das nicht.«
»Sondern?« Der Kommissar schaute Hesse von hinten über die Schulter an. Er wusste, dass es nicht so gewesen sein konnte, wollte es aber aus dem Mund des Verdächtigen hören. »Wie war es denn, Hesse? Wie?«
»Okay, ich werde Ihnen die Wahrheit sagen.«
»Schon wieder?« Seeberg hob erstaunt die Brauen und schaute Hesse prüfend in die Augen. »Wie viele Varianten haben Sie denn noch so im Angebot?«
»Nein, ehrlich jetzt. Ich sag Ihnen, wie es war.«
»Dann geben Sie sich mal Mühe, um uns diesmal von der wirklichen Wahrheit zu überzeugen.«
Seeberg nahm sich einen Stuhl und zog ihn zu sich. Hesse begann mit seiner Erklärung.
»Ich war tatsächlich am Bahnhof, um mir meinen Stoff zu besorgen. Aber vorher. Ich habe die Baustelle am Gewächshaus schon ein paar Tage vorher entdeckt und mich dort einquartiert. Es ist so saukalt momentan. Und dann noch dieser scheiß Regen. In den Gewächshäusern ist es immer angenehm warm, und niemand stört mich dort.«
»Weiter.«
»Ich hatte mir gerade den Schuss gesetzt, als ich mich hinlegen wollte. Und da habe ich diesen Typenneben mir am Boden liegen sehen. Scheiße Mann, können Sie sich vorstellen, was das für ein beschissener Trip war? Jedenfalls hat es ein paar Minuten gedauert, bis ich wieder einigermaßen bei mir war. Dann habe ich mit dem Handy die Polizei gerufen.«
»Und wie sind Ihre Fingerabdrücke auf die Sachen des Toten gekommen?«
Hesse kratzte sich am Hals, bis eine rote Hautstelle hervortrat.
»Na ja, während ich wartete, dachte ich mir, dass der Typ sicher keine Kohle mehr braucht, dorthin, wohin er jetzt geht.«
»Und da haben Sie in den Sachen nach der Brieftasche des Toten gesucht und sie leergeräumt?«
»Ja.«
»Und die Fingerabdrücke auf dem Gürtel?«
»Ich dachte, dass mir die Schnalle bestimmt ’nen Zehner bringt. Auf dem Flohmarkt kriegt man für so was gutes Geld. Er konnte doch eh nichts mehr damit anfangen. Aber ich! Ich muss doch essen und trinken.«
In diesem Moment wurde die Tür zum Verhörraum geöffnet, und ein uniformierter Kollege kam mit einem dicken Umschlag unter dem Arm herein und drückte ihn dem Kommissar in die Hand.
»Ich habe hier die von Ihnen angeforderten Akten vom Fall Pogatetz.«
»Ja, danke.«
Seeberg legte den Umschlag vor sich auf den Tisch und suchte darin nach etwas. Es dauerte nicht lange, bis er ein Foto von Pogatetz fand. Er legte es vor Hesse auf den Tisch.
»Kennen Sie diesen Mann hier?«
Hesse sah vom Boden auf, dann blickte er auf das Foto.
»Nein, wer soll das sein? Das ist nicht der Mann aus dem Gewächshaus, oder?«
»Beantworten Sie nur meine Fragen! Der Name Pogatetz sagt ihnen auch nichts?«
»Nein.«
Seeberg schob das Foto zurück in den Umschlag.
»Herr Hesse, wo waren Sie am 4. August vorletztes Jahr?«
»Soll das ein Witz sein? Woher soll ich wissen, wo ich an diesem beschissenen Tag war. Vor anderthalb Jahren war ich ja noch nicht einmal hier in Deutschland.«
»Wie meinen Sie das?«
»Ich war damals in Florida an der Highschool von Boca Raton. Ich hatte dort ein Sportstipendium. Ja, schauen Sie ruhig so blöd. Damals war ich noch fit. Ich war echt gut und habe da ein Stipendium bekommen.Da drüben ging dann auch die ganze Scheiße mit den Drogen los.«
Seeberg und Kohler wechselten einen kurzen Blick. Diesmal war es Kohler, der die nächste Frage stellte.
»Hast du Zeugen dafür, dass du dort drüben warst?«
»Na ja, meine Mitschüler und Lehrer. Also eigentlich ’ne ganze Menge. So um die tausend.«
Den beiden Beamten war klar, dass Hesse auf keinen Fall für den Mord an Pogatetz verantwortlich sein konnte, wenn diese Aussage stimmte. Und
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