Rhosmari - Retterin der Feen
anzuschließen. Er … er sollte mir bei etwas helfen.«
»Aha, das leuchtet mir mehr ein«, sagte Martin und lehnte sich wieder zurück. »Ich konnte mir dich nur schwer beim Kämpfen vorstellen. Ich kämpfe selber nicht gern, zumal inzwischen ja alles verloren scheint.« Sein Blick wanderte zum Fenster. »Andererseits will ich mich auch nicht der Kaiserin ergeben. Vielleicht … können wir beide einander helfen.«
»Wie?«, fragte Rhosmari.
»Wir könnten die Rebellen gemeinsam suchen. Ich kenne Rob ein wenig und habe eine Vermutung, wo er und seine Leute sich vielleicht verstecken. Außerdem weiß ich, wie man in diesem Land mit dem Zug fast überallhin kommt, was uns helfen könnte, unseren Vorsprung vor den Schwarzen Flügeln oder anderen Verfolgern zu halten. Und wir verfügen beide über Zauberkräfte, die der andere nicht hat, wir könnten uns also gegenseitig besser beschützen als jeder für sich allein.«
Er hatte nicht unrecht, musste Rhosmari zugeben. Und er stand in ihrer Schuld, hatte also einen guten Grund dafür, ihr helfen zu wollen. »Und wenn wir die Rebellen finden?«, fragte sie.
»Dann ziehe ich meiner Wege. Wie gesagt, ich will nicht zum Märtyrer werden. Aber wenn du einen Begleiter zurück in deine Heimat brauchst …« Er zuckte die Schultern, es wirkte allerdings keineswegs gleichgültig. »Ich begleite dich gern.«
Rhosmari begriff, worauf er hinauswollte. Offenbar hoffte er, dass Rhosmaris Volk ihm vor der Kaiserin Asyl gewähren würde, wenn er ihr half. Aber die Ältesten würden niemals zulassen, dass ein Dieb und Betrüger die Gwerdonnau Llion betrat, solange sie nicht überzeugt waren, dass er sein früheres Verhalten aufrichtig bereute.
»Also gut«, sagte sie schließlich, »abgemacht. Aber keine Tricks mehr. Wenn wir Essen, Unterkunft oder ein Beförderungsmittel brauchen, zahlen wir ehrlich dafür.«
»Dann musst du für uns beide bezahlen«, sagte Martin. »Ich habe kein Geld. Aber wenn es dir so wichtig ist …«
»Das ist es.«
»Dann bin ich damit einverstanden.«
Rhosmari war noch nie an einem so lauten, verwirrenden Ort wie dem Bahnhof von Cardiff gewesen. Menschen eilten in alle Richtungen, lachten, stritten, umarmten sich, riefen etwas in kleine Kästchen, die sie ans Ohr hielten, oder bewegten den Kopf zu einem Rhythmus, den nur sie hörten. Zwar ließ sich Rhosmari wie die meisten Feen nicht gerne berühren, aber diesmal war sie dankbar für Martins Hand an ihrem Ellbogen, mit der er sie durch das Gewühl steuerte.
»Ich kenne diese Stadt«, sagte er. Sie betraten die hell erleuchtete Halle am Ende des Gangs. Hier wurden an zahlreichen Ständen Lebensmittel und alle möglichen anderen Dinge verkauft, und es wimmelte von Menschen der verschiedensten Hautfarben und Altersklassen. »Ich habe hier Freunde und weiß, wo wir übernachten können.«
Seine Zuversicht überraschte sie. Feen sprachen nur selten davon, Freunde zu haben, nicht einmal auf den Grünen Inseln. »Wohin müssen wir?«, fragte sie.
»Hier lang.« Er schob sich durch das Gewühl in Richtung Ausgang, wich einem gestresst aussehenden Elternpaar mit drei quengelnden Kindern aus und trat nach draußen. »Cardiff«, verkündete er zufrieden und zeigte mit ausgebreiteten Armen auf hohe, zum dämmrigen Himmel aufragende Gebäude.
Rhosmari war noch nie in einer Großstadt gewesen und unter anderen Umständen wäre sie fasziniert gewesen. Jetzt freilich war sie so müde, dass sie nur einen flüchtigen Blick und ein Nicken zustande brachte.
»Komm«, sagte Martin. Im Unterschied zu ihr platzte er förmlich vor Tatkraft – allerdings hatte er im Zug auch geschlafen. Bevor Rhosmari protestieren konnte, fasste er sie an der Hand, verschränkte seine Finger mit ihren Fingern, worauf Rhosmari ein Schauer durchlief, und zog sie weiter.
Sie kamen zur Hauptstraße und Rhosmari musste sich geblendet die Hand vors Gesicht halten. Was sie sah, tat ihr in den Augen weh: die Leuchtreklame über den Schaufenstern, die über ihren Köpfen brennenden Straßenlaternen und die Scheinwerfer der vorbeifahrenden Autos. »Ist es weit?, fragte sie. »Ich …« Eine Abgaswolke stieg ihr in die Nase und sie bekam einen Hustenanfall und konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
»Daran gewöhnst du dich«, sagte Martin. Er sah mehr belustigt als mitfühlend aus. »Wir müssen einige Straßen gehen, aber es dauert nicht lange.«
Sie gingen los und die Minuten zogen sich endlos in die Länge. Die Nacht brach vollends ein
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