Rhosmari - Retterin der Feen
dürfen um unser aller willen keinerlei Risiko eingehen.«
Rhosmari zog ihre Hand weg. »Ihr wollt mich also zu eurer Gefangenen machen.« Ihre Stimme bebte. »Ihr wollt mich hier in der Eiche einsperren, während ihr auf den Angriff der Kaiserin wartet, weil ihr zu feige seid, mich gehen zu lassen – und wenn die Kaiserin angreift und euch besiegt, kriegt sie mich sowieso. Und dann wird sie auch die Grünen Inseln erobern, weil niemand die Kinder des Rhys gewarnt hat, und alles ist aus und du bist schuld.«
»Mit Feigheit hat das nichts zu tun, Rhosmari.« Garan sprach leise, klang aber nicht entschuldigend. »Wenn wir dir sicheres Geleit geben wollten, müssten wir unsere ganze Armee mit dir mitschicken und die Eiche bliebe wehrlos zurück – und selbst das wäre kein sicherer Schutz vor der Kaiserin. Die beste Alternative ist, dich hierzubehalten.«
Rhosmari legte die Hände an die Schläfen. Ihr war, als habe sich gerade der Boden unter ihren Füßen geöffnet und als stürze sie hilflos in einen schwarzen Abgrund. Garan sprach weiter, aber seine Worte schienen von weit her zu kommen.
»Glaubst du, mich lässt das kalt, wenn den Grünen Inseln Gefahr droht? Wenn ich wüsste, wie wir unser Volk vor der Kaiserin warnen könnten, würde ich es tun. Aber wir können uns mit den Ältesten auf diese Entfernung nicht verständigen. Und wenn es möglich wäre, würden sie uns wohl nicht zuhören.«
Hier kann uns niemand etwas tun , hatte Rhosmari zu ihren Schülern im Haus des Lernens gesagt, in der festen Überzeugung, dass es der Wahrheit entsprach. Doch dann hatte sie selbst dafür gesorgt, dass es nicht mehr stimmte, und jetzt erklärte Garan, dass es sich nicht mehr rückgängig machen ließ.
»Tut mir leid, Rhosmari«, sagte er. »Ich wollte dir das nicht sagen müssen. Bis zu unserer Versammlung glaubte ich, du wüsstest es schon selber. Ich dachte sogar …« Er brach ab. »Aber dazu ist jetzt nicht die richtige Zeit.«
Rhosmari hob den Kopf. Ihre Augen glänzten, aber sie weinte nicht. »Zu was ist nicht die richtige Zeit?«
»Als ich hörte, du hättest den weiten Weg gemacht, um mich zu suchen, dachte ich, vielleicht gibst du mir die Chance, wieder gutzumachen, was ich dir angetan habe. Ich habe dir Unrecht getan, Rhosmari, und ich weiß, dass du enttäuscht warst, als ich dich bat, unsere Verlobung zu lösen.« Er trat näher und hielt sie mit dem Blick seiner meergrünen Augen fest. »Du sollst eines wissen. Wenn es dich tröstet oder dir das, was du durchgemacht hast, ein wenig erleichtert, bin ich bereit, zu meinem Versprechen zu stehen und dich zu heiraten.«
Rhosmari sah ihn erschrocken an. »Also … jetzt gleich?«
»Nein, nicht gleich«, erwiderte Garan ein wenig unbehaglich. »Du bist erst sechzehn. Aber in zwei oder drei Jahren, wenn wir dann noch leben …«
Rhosmari lachte ungläubig. »Und zu was sollte das gut sein? Du liebst mich nicht. Das hast du mir doch schon gesagt, bevor du gegangen bist.«
»Spielt das für dich eine Rolle?« Garan sah sie verblüfft an. »Ich dachte, dir sei egal, was wir füreinander empfinden, solange wir friedlich miteinander leben können.«
Rhosmari schob die Finger über ihre Handgelenke, an denen Martins Finger sie gequetscht und Timothys Ringe gebrannt hatten. Beide hatten sie verletzt, aber der eine hatte sie an der Flucht hindern wollen, der andere hatte sie befreit.
»Doch«, sagte sie leise. »Es spielt eine Rolle.«
Rhosmari saß am Fuß der Eiche, hatte die Arme um die Knie geschlungen und blickte trübsinnig über den Rasen. Der Garten wurde auf beiden Seiten von Hecken eingefasst, die zum Haus hin in alte steinerne Mauern übergingen. Vor ihr stand das Haus und sperrte die Sonne und den Himmel aus.
Die Eichenwelt war noch kleiner als Waverley Hall. Trotzdem sollte sie für die nächste Zeit Rhosmaris neues Zuhause sein.
Garan hatte gemeint, im Garten sei sie sicher, denn der Garten und die benachbarten Wiesen würden ständig bewacht und durch Zauber geschützt und die Gefolgsleute der Kaiserin könnten sich nicht unbemerkt nähern. Trotzdem hatte er sie überreden wollen, mit ihm in die Eiche zurückzukehren, damit Hasenglöckchen ihr ein Zimmer zuwies – aber Rhosmari hatte sich geweigert. Wenn vielleicht Wochen oder Monate oder sogar Jahre vergingen, bevor sie ihre Heimat wiedersah, wollte sie wenigstens noch eine Weile draußen sitzen.
Sie rupfte eine Handvoll Gras aus dem Boden, streute sie in den Wind und sah zu, wie die Halme
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