Rhosmari - Retterin der Feen
Treppe hinunter. »Sie gibt dir ein Zimmer zum Schlafen.«
»War sie auch auf der Versammlung?«
»Hasenglöckchen? Du meine Güte, nein.« Linde lachte mitleidig. »Sie will mit Politik nichts mehr zu tun haben. Warum fragst du?«
»Winka sagte, sie wünschte, Malve wäre mehr wie Hasenglöckchen, und ich wusste nicht, was sie damit meinte.«
»Ach das«, sagte Linde. »Das ist ein wenig kompliziert. Hasenglöckchen war früher die Kammerdienerin von Königin Amaryllis. Sie war manchmal ein wenig hochnäsig, aber es störte eigentlich niemanden … bis Amaryllis starb. Dann stellte sich nämlich heraus, dass Hasenglöckchen sich für ihre rechtmäßige Nachfolgerin hielt. Kannst du dir das vorstellen?«
»Hm … vielleicht kann ich das wirklich«, meinte Rhosmari. »Ich weiß ja nicht, wie ihr es hier haltet, aber es gibt einen alten Brauch, dem zufolge die Nachfolgerin einer Feenkönigin ihr als Kammerzofe dienen sollte. Wusste Hasenglöckchen vielleicht davon?«
»Ich glaube, dass vor allem Malve ihr das eingeredet hat«, sagte Linde. »Jedenfalls hatten wir eine Weile ziemliche Schwierigkeiten. Malve und Hasenglöckchen wollten uns davon überzeugen, dass Baldriana Königin Amaryllis durch eine List dazu gebracht hätte, sie zu ihrer Nachfolgerin zu bestimmen, und dass ihr das gar nicht zustehe, weil sie zur Hälfte ein Mensch sei. Zum Glück begriffen die meisten Eichenfeen, dass Baldriana viel besser als Königin geeignet ist. Und als Rob und Garan mit ihren Leuten zur Eiche kamen, erkannten sie Baldriana sofort als Königin an und beachteten Hasenglöckchen nicht weiter. Damit war das erledigt.«
Nur dass Malve die Königin offenbar immer noch bei jeder Gelegenheit herausforderte. Rhosmari hatte selbst erlebt, wie sie sich bei der Versammlung aufgeführt hatte, und wunderte sich nachträglich noch über Baldrianas Geduld.
»Danach«, fuhr Linde fort, »schämte sich Hasenglöckchen so sehr, dass sie sich drei Tage lang in ihrem Zimmer einschloss. Dann kam sie wieder heraus und entschuldigte sich. Seitdem hält sie treu zu Königin Baldriana … Wir sind da.« Sie bog von der Treppe auf einen Steg ab, der zu einem von Türen gesäumten Gang führte. Vor der dritten Tür links blieb Linde stehen, klopfte und rief: »Hasenglöckchen, bist du da?«
Sie warteten, aber niemand antwortete. Linde wollte gerade noch einmal klopfen, da fragte Garan hinter ihnen: »Rhosmari?«
Überrascht drehte sie sich um und sah ihn über den Steg auf sich zukommen. Er war sehr förmlich und sein Gesichtausdruck verriet keine Regung.
»Ich muss dich unter vier Augen sprechen«, sagte er. »Vielleicht können wir nach draußen gehen.«
Ein wolkenloser Himmel wölbte sich über der Eichenwelt und eine sanfte Brise strich durch den Garten. Trotzdem war Rhosmari beklommen zumute, als sie hinter Garan in den Garten trat. Unheil lag in der Luft, sie spürte es, seit sie den anderen Feen von ihrer Reise berichtet hatte. Garan und sie nahmen wieder ihre normale Größe an und die böse Vorahnung schien mitzuwachsen. Er wandte sich ihr zu und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Auf seinem Gesicht lag tiefstes Mitgefühl.
»Was ist?«, fragte sie.
Er fasste ihre Hand, was sie aber nicht beruhigen konnte. »Rhosmari«, sagte er, »du kannst nicht zu den Gwerdonnau Llion zurückkehren.«
»Wie bitte?« Sie starrte ihn an. »Was soll das heißen, du kannst nicht ?«
»Die Kaiserin kann nur mit deiner Hilfe hoffen, die Grünen Inseln zu betreten. Und da sie beschlossen hat, die Kinder des Rhys zu unterwerfen, wird sie alles dransetzen, dich wieder zu fangen. Glaubst du wirklich, du hättest auch nur die geringste Chance, nach Wales zu kommen, wenn du jetzt aufbrichst?«
»Ich könnte es mit einem Sprung versuchen …«
»Martin kennt jeden Ort, an dem du gewesen bist«, sagte Garan. »Dasselbe gilt für die Kaiserin. Wenn deine Zauberkraft zehnmal so stark wäre, könntest du vielleicht auf einen Satz von hier nach St. David’s springen, bevor die Kaiserin jemanden dorthin schicken kann. Aber so kommst du höchstens bis Waverley Hall, und von dort kämst du nicht einmal bis Cardiff, von den Grünen Inseln ganz zu schweigen.«
Er nahm Rhosmaris Hand in seine und senkte die Stimme. »Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, Rhosmari«, sagte er eindringlich. »Es tut mir in der Seele weh zu denken, dass du gegen deinen Willen hierbleiben musst. Aber wir dürfen dich nicht noch einmal an die Kaiserin verlieren. Wir
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