Rhosmari - Retterin der Feen
Beruhigung. »Sonst sind bei Besprechungen nicht so viele da. Und heute hat Malve zusätzlich für Unruhe gesorgt.«
»Und die Kinder des Rhys streiten manchmal ja auch ganz gern«, sagte Timothy. »Als Linde und ich bei euren Ältesten waren, wurde lange diskutiert, was mit uns geschehen sollte, und dabei ging es hoch her.«
»Ich weiß«, sagte Rhosmari ein wenig gekränkt, weil ihr eingefallen war, dass Timothy sie damals gar nicht wahrgenommen hatte. »Natürlich sind wir auch nicht ständig einer Meinung. Aber wir überlassen den Ältesten das letzte Wort und beugen uns ihrem Beschluss.«
»Auch wenn das heißt, eine bewaffnete Armee zum Festland zu schicken, um den Namensstein mit Gewalt zurückzuholen?«, fragte Timothy. Sie waren auf den Treppenabsatz hinausgetreten. »Versteh mich bitte nicht falsch, aber du scheinst mit dieser Entscheidung deine Schwierigkeiten gehabt zu haben.«
»Das war etwas anderes«, erwiderte Rhosmari empört. »Was meine Mutter tun wollte, war falsch. Die Kinder des Rhys haben gelobt, mit allen Menschen und Feen in Frieden zu leben. Wenn wir dieses Gelübde brechen, zerstören wir eine Tradition, die uns heilig ist.« Rhosmari trat zur Seite, um zwei Rebellen vorbeizulassen, dann wandte sie sich wieder Timothy zu. »Was hält uns dann noch davon ab, auch mit anderen Traditionen zu brechen, die uns nicht passen? Wir können doch nur ehrlich miteinander leben und anderen Feen ein Beispiel geben, wenn wir uns an unsere Prinzipien halten, egal was es kostet.«
»Ich sage ja nicht, dass ich deiner Mutter zustimme«, sagte Timothy. »Aber ich weiß auch nicht, ob ich dir zustimme. Hat Rhys das wirklich verlangt? Dass ihr nie kämpfen sollt, nicht einmal zu eurer Verteidigung? Oder wenn nicht kämpfen hieße, zu Sklaven eines anderen zu werden, der euch dann zwingt, mit dieser Tradition und womöglich auch mit allen anderen zu brechen?«
Rhosmari öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Natürlich stimmte, dass Rhys seine Anhänger zum Gewaltverzicht angehalten hatte, aber die Gelehrten stritten sich seit Jahrhunderten darüber, was das genau bedeutete. Nach dem Tod ihres Vaters, der sie zutiefst erschüttert hatte, war Rhosmari immer lieber vorsichtig gewesen. Sogar die Teilnahme an den Rhysischen Spielen war ihr manchmal nicht ganz geheuer gewesen. Doch andere, die sie kannte, darunter Garan, hielten den Krieg für rechtmäßig, solange er einer gerechten Sache diente und nicht dem Eigennutz oder der persönlichen Rache. Konnte sie wirklich behaupten, dass sie recht hatte und Garan und die anderen nicht?
»Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. »Ich will nicht, dass jemand körperlich zu Schaden kommt, auch wenn er noch so viel Böses getan hat. Aber ich will auch nicht tatenlos zusehen, wie Unschuldige leiden. Ich glaube einfach … vielleicht gibt es eine Lösung ohne Gewalt? Ein Mittel, die Kaiserin aufzuhalten, das nicht so viele Leben gefährdet?«
»Wenn dir eins einfällt, freut uns das alle«, sagte Linde. »Oder mich zumindest. Ich finde es auch nicht gut, wenn Menschen oder Feen getötet werden.« Sie lächelte Rhosmari ermutigend an und Rhosmari erwiderte das Lächeln.
»Ich muss gehen«, sagte Timothy. »Paul und Peri warten bestimmt schon auf mich. Aber …« Er sah Rhosmari eindringlich an. »Wenn du etwas brauchst oder wenn du … ich weiß nicht, einfach mal einen Tapetenwechsel brauchst …, dann bist du bei uns willkommen. Jederzeit.«
Rhosmari nickte dankbar, doch als er dann die Wendeltreppe hinuntereilte, überlegte sie unwillkürlich, warum er ihr dieses Angebot gemacht hatte. Schließlich war sie nur ein, zwei Tage hier, dann wollte sie zu den Grünen Inseln zurückkehren.
Bei diesem Gedanken verspürte sie plötzlich Heimweh, und so müde sie war, am liebsten wäre sie gleich aufgebrochen. Ihrer Mutter und den Ältesten Rede und Antwort zu stehen, war zwar bestimmt nicht angenehm, aber wenigstens würde man sie nicht wieder wegschicken. Selbst wenn sie für das, was sie getan hatte, das Exil verdiente – und Rhosmari bezweifelte es, denn sie hatte weder Blut vergossen noch Gewalt angewendet –, war es doch sicherer, sie auf den Grünen Inseln einzusperren, als zu riskieren, dass sie der Kaiserin noch einmal in die Hände fiel.
»Komm«, sagte Linde, »ich bringe dich zu Hasenglöckchen.«
Hasenglöckchen. Sie hatte den Namen schon einmal gehört. »Wer ist das?«, fragte sie.
»Unsere oberste Verwalterin.« Linde stieg ihr voraus die
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