Richard Dübell
von heute Morgen gemerkt – und für sich ein zweites Croissant. »Wenn ich schon mal die Gelegenheit habe, mit Ihnen zu frühstücken …«, erklärte sie in einer unnachahmlichen Mischung aus Entschuldigung und Koketterie. »Sie haben bestimmt noch nichts gegessen heute Morgen – vor allem nach dem Briefing in der Dienststelle …«
Die Frage, woher sie schon wieder darüber Bescheid wusste, erübrigte sich. Sabrina Hauskeck wusste immer Bescheid. Peter musterte sie, während er nach einer Antwort suchte und sich erfolglos bemühte, ihres hoffnungsvollen Lächelns wegen nicht ein noch schlechteres Gewissen zu bekommen. Zehntausend Watt äußerst fraulicher Attraktivität strahlten ihn an und signalisierten ihm, dass jedes einzelne davon zu haben war – er brauchte es nur zu sagen.
»Ihr Anruf heute Morgen …«, begann Peter.
»Hab ich Sie doch aus dem Schlaf gerissen? Aus einem Traum? Das tut mir leid. Wovon haben Sie geträumt?«
»Nein, nein. Ich …«
»Schade. Ich hoffte, Sie würden sagen, Sie hätten von mir geträumt.«
Weil er fürchtete, anders nicht weiterzukommen, und mit einem weiteren monströsen Schub schlechten Gewissens sagte Peter: »Vielleicht bin ich ja nur zu schüchtern, es Ihnen zu gestehen.«
Die Wirkung auf Sabrina Hauskeck war verheerend. Sie schnappte nach Luft. Ihre Wangen bekamen einen roten Schimmer. O Gott, was hab ich getan? , dachte Peter.
»Ehrlich?«, hauchte sie.
Peter nutzte den Umstand, dass sie für den Augenblick aus dem Gleichgewicht gebracht war. »Was Sie mir da erzählt haben – über das Geiseldrama in München …«
Die Bedienung brachte den Kaffee und die beiden Teller mit den Snacks. Peter hätte sie erwürgen mögen. Doch seine taktische Lüge wirkte noch nach. Sabrina Hauskeck schwieg.
»… also, die Geiselnahme: Ist dabei eine Geisel erschossen worden?«
Sabrina Hauskeck blinzelte angestrengt. Aber so hundertprozentig vernarrt sie in Peter war, so hundertprozentig war sie auch ein Profi in ihrem Beruf. Sie atmete einmal kurz durch, dann sagte sie vorsichtig: »Ja …«
»Der Tote war Juwelier?«
»Ja.«
»Und der Geiselnehmer ein Verbrecher, zu dessen Ergreifung eine Sonderkommission gebildet wurde?«
»Es ist ja nicht so«, sagte sie langsam, »dass Sie das nicht wissen dürften, aber: Woher wissen Sie es?«
»Dieser ehemalige Landshuter Beamte, der mit der Geiselnahme zu tun hatte – ist er der Leiter der Ermittlungsgruppe?«
Sabrina lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Sie haben sich heute Morgen mit ihm angelegt«, bestätigte sie.
»Kennen Sie den Inhalt des Briefings?«
»Nein.« Sabrina schüttelte den Kopf. »Nur das interessante Detail, dass Sie mit ihm die Klingen gekreuzt haben.«
Ihr Gesicht war jetzt undurchdringlich. Der ironische Unterton, den sie sonst so gut wie nie anwendete, und ihre Anspielung auf sein in der gesamten Landshuter Polizeidienststelle mit gutmütigem Spott aufgenommenes Engagement für Connors historische Veranstaltungen zeigten ihm, dass ihr klargeworden war, weswegen er sie aufgesucht hatte.
Peter beugte sich vor. »Sander hat kein Wort über die Geiselgeschichte verloren. Er hat uns nur unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass wir Provinzler uns aus der Sache heraushalten sollen.«
»Er kann aus ermittlungstaktischen Gründen geschwiegen haben.«
»Gab es irgendeine Anweisung für Sie, einem Plattfuß wie mir nichts darüber zu erzählen?«
»Nein …«
»Dann gibt es auch keine ›ermittlungstaktischen Gründe‹ für Harald Sanders Schweigen.«
Sabrina seufzte. Sie schob den Teller mit dem Croissant von sich. »Ich muss wieder ins Büro«, sagte sie. »Ich habe jede Menge Arbeit.«
Peter legte seine Hand auf Sabrinas. Sie starrte sie an. Ihre Finger waren kalt, obwohl es ein warmer Morgen war. Es gab Peter einen Stich. Einmal mehr machte er sich klar, dass sie unter seiner Ablehnung genauso litt wie er unter Floras Zurückweisung. Es war nichts Ehrenrühriges dabei, dass er sie hier aufgesucht hatte und versuchte, Informationen zu erhalten. Genau genommen hatte er sie nicht einmal getäuscht, indem er so getan hatte, als wäre er nur ihretwegen gekommen. Und dennoch wusste er, dass sie genau das gehofft hatte. Wäre er an ihrer Stelle gewesen und Flora wäre gekommen, es wäre ihm keinen Deut anders gegangen.
»Hier stimmt was nicht«, sagte er drängend. »Außer dass Harald Sander ein Arschloch ist, gibt es keinen Grund für sein merkwürdiges Verhalten. Eine totale Pfeife
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