Richard Dübell
ist das denn her?«
»Zehn Jahre oder so.«
»Warum weißt du das nicht?«, fragte Daniel. »Wer von uns beiden ist denn der Polizist?«
Peter war überrascht über den leichten Anflug von Schärfe, den er in der Stimme seines Vaters zu vernehmen glaubte. »Weil ich zu der Zeit bei der Augsburger Kripo war.«
»Stimmt«, sagte Daniel. Wenn er genau darüber nachdachte, fand Peter, dass Daniels Stimme weniger scharf als vielmehr angespannt geklungen hatte, wie die Stimme eines Mannes, der das Gespräch von einem Thema ablenken will. Sie sahen sich an, dann wandten sich beide wie auf Befehl an Connor.
Der Schotte hob die Hände. »Seht mich nicht so an. Ich merk mir Klatsch nur, wenn er mindestens fünfhundert Jahre alt ist.«
»Ich weiß darüber Bescheid«, mischte sich Stefan Naldonus ein. »Tristan Heigl war zu seiner Zeit eine bekannte Figur in Landshut, aber keiner hat ihn richtig für voll genommen. Das war so ähnlich wie mit dem Kerl, der draußen in Kumhausen die Mauer gebaut hat … wie hieß der gleich wieder …?«
»Egal«, sagte Peter, »erzähl mir lieber was von Heigl.«
»Das habt ihr doch alles im Polizeiarchiv«, bemerkte Naldonus.
»Ich höre es lieber von dir«, sagte Peter, »deine Stimme macht mich an.«
Naldonus schnaubte. »Für Heigl ist es ganz dick gekommen damals. Er hatte irgendeine Theorie – worum ging’s da gleich wieder? Hmmm … Jedenfalls hat er in Leserbriefen immer wieder gefordert, dass Landshut eine Schadenersatzklage erhebt oder eine Nachforderung. Er hatte eine ganz üble Argumentation, so nach dem Muster: Wenn Deutschland immer noch Schadenersatzzahlungen aus der Nazizeit leistet, ist es auch rechtens, wenn Deutschland von anderen Ländern Schadenersatz für Dinge fordert, die ebenfalls in der Vergangenheit passiert sind.«
»Gott!«, sagte Peter und schüttelte den Kopf. »Die alten Aufrechner – so was kotzt mich an.«
»Es war ohnehin erstaunlich, dass sich daraus nicht ein Leserbriefgefecht entwickelte – aber die Landshuter taten wohl das einzig Richtige und ignorierten ihn. Jeder weitere Beitrag, selbst eine Zurechtweisung, hätte seinem Schmarrn nur noch mehr Gewicht verliehen.«
»Gegen wen hätten sich denn diese Forderungen richten sollen?«
»Meine Güte, das weiß ich nicht mehr, Peter, ich … Polen!«, sagte Naldonus. »Genau.«
»Polen!?«
»Das hatte irgendwas mit der Fürstenhochzeit zu tun …« Stefan Naldonus zog nachdenklich die Stirn kraus.
»Was!?«
»Ach du Schande«, sagte Doreen, die sich in dieser Situation Mühe gab, so gut es ging, Hochdeutsch zu sprechen. Alle wandten sich ihr zu. Sie zuckte mit den Schultern. »Wann soll das gewesen sein?«
»Vor gut zehn Jahren.«
»Das wurde damals so gut wie möglich verheimlicht«, sagte Doreen, »aber es ist so: Der Schmuck, der in Wittenberg und jetzt in Landshut ausgestellt wird, ist nicht erst letztes Jahr entdeckt worden, sondern schon vor zehn Jahren. Die polnische und die deutsche Regierung kamen aber überein, die Entdeckung totzuschweigen, weil sie alle möglichen Verwicklungen und Regressforderungen fürchteten – damals haben doch dauernd die Vertriebenenverbände gestänkert und sich mit den Hardlinern im polnischen Parlament Spiegelgefechte geliefert.«
Peter nickte. Diesen Teil der Geschichte kannte er von Harald Sander und Robert Kalp. »Das Problem war, dass der Schmuck von Rechts wegen tatsächlich Landshut gehört hätte – also nach heutigem Empfinden der bayerischen Landesregierung – , weil er Teil der Mitgift von Herzogin Hedwig war.«
»Ja, aber wegen fünfhundert Jahre alter Besitzrechte wollten weder Deutschland noch Polen einen weiteren politischen Konflikt heraufbeschwören. Die Beziehungen waren damals ohnehin schwierig genug. Tatsache ist aber: Der Schmuck wurde den Landshutern nie übergeben. König Kasimir, der Brautvater, hat ihn widerrechtlich nach Polen zurückgebracht. In die Kreise der Fachleute und historischen Laien sickerten aber Gerüchte durch. Die interessierten allerdings kaum jemanden, da es sich ja insgesamt um eine sehr spezifische Sache handelte. Soweit ich weiß, gab es allerdings eine hartnäckige Stimme, die sich immer meldete, bis die Staatsanwaltschaft wegen Hetzerei und politischer Scharfmacherei zu ermitteln begann. Ab da hörten die Forderungen in den Fachzeitschriften und in den entsprechenden Internet-Blogs auf. Ich bin sicher, das war euer Tristan Heigl.«
Stefan Naldonus sagte: »Ich erinnere mich jetzt auch
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