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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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hinterher.
    »Weshalb? Anders als die meisten hier drin ist Herr Heigl von seinen Erben noch nicht für unmündig erklärt worden.«
42 .
    Zimmer 17 war funktional eingerichtet: zwei schmale Kleiderschränke aus dunklem Furnierholz an der rechten Wand, ein Tisch mit zwei Stühlen unterhalb der beiden Fenster, die auf ein Stück Rasen, einen Spazierweg unter Bäumen und dahinter zur Isar hinausgingen, und an der linken Wand zwei Betten, die durch zwei Nachttischchen getrennt nebeneinanderstanden. Über den Betten ragten die Galgen mit den dreieckigen Griffen auf. Der Raum hätte auch ein Krankenzimmer sein können. Der Raum war , wenn man es recht bedachte, ein Krankenzimmer. Die Krankheit der Insassen hieß Alter und war unheilbar.
    In einem der Betten lag ein kahlköpfiger alter Mann und starrte an die Decke. Der zweite Bewohner saß an dem Tischchen, ein Mobiltelefon mit extragroßen Tasten vor sich. Der Mann im Bett unterbrach seine trostlose Musterung der Zimmerdecke und wandte Flora und Peter den Blick zu. Der andere Mann gab mit keiner Regung zu verstehen, dass er ihr Eintreten mitbekommen hatte.
    Die Hoffnung, die im Gesicht des bettlägerigen Mannes aufflackerte und gleich wieder erlosch, als ihm klarwurde, dass er die Besucher nicht kannte und dass sie nicht zu seiner Familie gehören konnten, tat Peter in der Seele weh.
    »Herr Tristan Heigl?«, fragte er.
    Der Kahlkopf wies mit dem Kinn auf den Mann am Tisch. Peter, vor dessen innerem Auge immer wieder der Anblick seines Vaters hochkam und wie er in einem Heim wie diesem einsam die Zeit absaß, bis der ultimative Besucher kam und ihn mitnahm, fühlte sich zu dem Bett getrieben.
    »Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir uns mit Herrn Heigl hier ein wenig unterhalten?«, fragte er. »Mein Name ist Peter Bernward, dies ist meine Kollegin Flora Sander.«
    »Unterhalten?«, krächzte der Kahlkopf.
    »Wenn es Sie stört, gehen wir auch gerne raus.«
    Flora, die neben Peter getreten war, deutete auf ein von Kalkflecken und Fingerabdrücken blindes Glas auf dem Nachttisch. Es war leer. »Können wir Ihnen was zu trinken bringen?«
    »Gibt gleich Abendessen«, sagte der Kahlkopf. Der Blick aus seinen Augen war wässrig. »Sind Sie verheiratet?«
    »Wie?«, fragte Peter überrascht. »Äh … nein, wir sind Kollegen.«
    »Mein Sohn ist verheiratet«, sagte der Kahlkopf. »Mit Kindern.«
    Peter, dem klar war, dass die Aussage des Mannes als ›verheiratet mit Frau und Kindern‹ zu werten war, sagte: »Glückwunsch.«
    »In Brasilien«, sagte der Kahlkopf.
    Peter hörte Flora seufzen. Niemand brauchte ihnen beiden genauer zu erklären, was das für das Besuchsaufkommen des kahlköpfigen Mannes bedeutete. »Also«, sagte er, »wenn wir Ihnen etwas bringen können, sagen Sie uns Bescheid. Wir stören auch nicht lange.«
    Der Mann am Tisch hatte sich mittlerweile vom Fenster ab- und ihnen zugewandt. Peter trat auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Herr Heigl? Ich bin Peter Bernward.«
    Peters Hand blieb in der Luft hängen. Tristan Heigl betrachtete sie, ohne sie zu ergreifen, dann glitt sein Blick ohne Eile zu Flora. Seine knorrigen Finger zuckten neben dem Telefon.
    Flora versuchte es ebenfalls mit einer ausgestreckten Hand. »Flora Sander«, sagte sie. Auch ihre Begrüßung wurde ignoriert.
    »Er spricht nicht«, erklärte der Kahlkopf im Bett. Tristan Heigls Blick wanderte zu seinem Zimmergenossen, ohne irgendeine Gefühlsregung zu zeigen, und dann wieder zurück zu Peter, der Flora den freien Stuhl hingeschoben hatte und sich an die Fensterbank lehnte.
    »Wie geht es Ihnen, Herr Heigl?«, fragte Peter.
    Die Antwort war ein ausdrucksloser Blick. Tristan Heigls Finger beugten und streckten sich. Seine Fingernägel kratzten leise über die Resopalbeschichtung des Tischs.
    »Er spricht nie«, sagte der Kahlkopf.
    »Wir bringen Grüße von Ihren Verwandten, den Klopeks«, sagte Flora. Sie betonte den Namen sehr deutlich. Wenn sie und Peter erwartet hatten, dass die Erwähnung des Namens irgendeine Regung in Tristan Heigl hervorrief, hatten sie sich getäuscht. Das Kratzgeräusch der Fingernägel war beinahe rhythmisch.
    »Und von Ihrem Sohn Eric, der Sie leider heute nicht besuchen kann«, fügte Peter hinzu. Tristan Heigl starrte ihn an.
    »Der Eric ist ein feiner Kerl«, sagte der Kahlkopf im Bett. »Kommt alle zwei Wochen zu Besuch. Und ist nicht verheiratet.«
    »Heute sind wir in seinem Auftrag da«, erklärte Peter und fragte sich, was er tun musste, um Heigls

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