Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
interessieren brauchte.
    »Das sollten Sie sich ansehen, Herr Chefinspektor!« rief die Hotelangestellte Lukastik zu, als dieser soeben in die Nähe der Rezeption geraten war, wie man in eine Umlaufbahn gerät.
    »Was?« fragte Lukastik.
    »Im Fernsehen, die Nachrichten. Es hat eine Bombenexplosion in Wien gegeben.«
    Nun, eine Explosion war natürlich etwas anderes. Als Kriminalist war Lukastik verpflichtet, durch Bomben hervorgerufene Explosionen nicht einfach zu ignorieren. Weshalb er sich nun zu dem guten Dutzend Interessierter gesellte und sich im Bewußtsein der eigenen Bedeutung in die erste Reihe drängte, um die Übertragung einer Sondersendung zu verfolgen.
    Der Ort, an dem die Detonation erfolgt war, mußte als ungewöhnlich bezeichnet werden, als bombenuntypisch: jenes am westlichen Rand der Parkanlage von Schloß Schönbrunn gelegene, dem Tierzoo vorgelagerte Palmenhaus, das in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts errichtet worden war. Dieses größte unter den europäischen Gewächshäusern war lange Zeit vom Einsturz bedroht und über viele Jahre gesperrt gewesen, bevor man Schaumstoff in die mürbe Stahlkonstruktion gespritzt und die unzähligen kleinen Glasscheiben ausgewechselt hatte. Solcherart war erneut eine Idylle für Blumen- und Pflanzenfreunde, für botanische Flaneure entstanden, eine Glasarchitektur, die wie neugeboren zwischen den gestutzten Hecken sich erhoben und ein wenig an einen historischen Bahnhof erinnert hatte. Einen Bahnhof für Gewächse.
    Und dieses Prunkstück, das die meisten Wiener nur von außen kannten, das ihnen aber nichtsdestoweniger lieb geworden war (ganz im Gegensatz zu einigen Museumsbauten jüngeren Datums, die man als Objekte so außerirdischer wie bösartiger Invasoren begriff), dieses zugleich filigrane wie mächtige Palmenhaus war also eine halbe Stunde zuvor, um Punkt acht Uhr, in die Luft gesprengt worden, hinaus in den noch hellen Sommerabend, und zwar mit einer derart beträchtlichen Wucht, daß so gut wie keine Scheibe heil geblieben war und große Teile des Gebäudes zerstört worden waren. Zudem hatte sich ein Brand entwickelt, der mittels der zahlreichen Gewächse und Hölzer immer wieder neue Nahrung fand.
    Die Kameras waren auf dieses Feuer gerichtet, auf die Flammen, die aus der nach oben hin nun offenen, geradezu aufgeblätterten Skelettkonstruktion herausschossen. Vage erkannte man Männer, die auf den höchsten Sprossen ausgezogener Leitern standen und Fontänen von Wasser auf das Inferno richteten. Wobei wie so oft bei derartigen Übertragungen im Fernsehen (und damit der Verkleinerung der Wirklichkeit auf Bildschirmgröße) die Feuerwehr – Mannschaft wie Material – einen vergleichsweise armseligen Eindruck machte, spielzeugartig. Das Wasser, das aus den Strahlrohren drang, wirkte dünn und harmlos und kleingärtnerisch angesichts der leuchtenden Feuerstrudel. Ohnehin schien der ganze Einsatz weniger der Rettung eines unrettbaren Gebäudes zu dienen, sondern vor allem der »Einzäunung« des Feuers auf jenen Bereich, den man dem Feuer nun mal zugestehen mußte. Entscheidend war es, zu verhindern, daß durch Funkenschlag Gehege des angrenzenden Zoos oder auch Teile der umliegenden Parkanlage in Brand gerieten. So gesehen versuchte die Feuerwehr eine Glocke aus Löschmitteln über die Flammen zu stülpen. Und tatsächlich konnte man in der Totale den bizarren Eindruck bekommen, der Ort der Katastrophe sei von einem Springbrunnen umgeben.
    Es soll jetzt nicht gesagt werden, daß ein solcher Anblick – also der einer brennenden Sehenswürdigkeit – irgendein Herz höher springen ließ. Vielleicht abgesehen von den Herzen radikaler Modernisierer, welche die kostspielige Sanierung dieses Gebäudes für einen Frevel gehalten und mit der Plastinierung eines Leichnams verglichen hatten. Die meisten Menschen aber erschütterte der Umstand, daß das Schönbrunner Palmenhaus soeben für alle Zeit verlorenging. Was aber nichts daran änderte, daß man gleichzeitig die zauberische Schönheit des Feuers erkannte. In ein Feuer zu sehen, gleich in welches, war immer wie ein Blick zurück zum Ursprung der Dinge. Als die Dinge noch einfacher, fundamentaler und rundum energetisch gewesen waren.
    Während die Zuseher also angesichts der Bilder in den inneren Widerspruch gerieten, etwas Trauriges faszinierend, etwas Schreckliches anregend zu finden, erklärte aus dem Off die Stimme eines Reporters, daß man derzeit völlig im unklaren über die

Weitere Kostenlose Bücher