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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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sagten Sie?« drängte Jordan Frau Barwick, als er nun endlich begriff, daß die Zeit noch knapper war, als er ohnehin angenommen hatte.
    Frau Barwick verdrehte die Augen, wiederholte dann aber: »Fünfzehn, vier, fünfundzwanzig, zwei. Sie müssen die Tasten jedoch gleichzeitig drücken. Alles andere wäre sinnlos.« 1
    »Gut!« sagte Jordan und biß in seine Zungenspitze wie in ein fremdes Stück Fleisch, um für einige Sekunden in ein konzentriertes Nachdenken zu verfallen. Sodann warnte er die Barwicks, sich von der Stelle zu rühren, bis weitere Beamte eingetroffen seien. Noch im Sprechen begriffen, stürmte er aus dem Zimmer in Richtung Aufzug.
    Nachdem eine der vier Lifttüren zur Seite geglitten war, sprang Jordan in die orangefarbene Zelle und spreizte Daumen und Ringfinger der linken Hand, um die Fünfzehn und die Fünfundzwanzig unter einen Hut zu bringen, während seine Rechte leichthändig die Zwei und die Vier betätigte.
    Tatsächlich reagierte die Elektronik. Die Kabine schloß sich und der Lift setzte sich in eine völlig durchschnittliche Bewegung. Auf der digitalen Anzeige konnte Jordan das Herunterfahren der Zahlen beobachten. Und als dann auch der zweigeschossige Bereich der Tiefgarage vorbeigezogen war, setzte der Aufzug wie versprochen seine Fahrt fort, wobei die Anzeige in ein nervöses Blinkern ungereimter Zahlenkombinationen überging. Als tippe ein Affe in eine Rechenmaschine.
    Es mochte an die sieben, acht Sekunden gedauert haben, in denen Jordan mit dem Gefühl steigender Beklemmung weiter abwärts gelangt war. Er blickte auf den Kunststoffboden unter sich, unterließ aber die Lächerlichkeit, sich zur Seite zu stellen, um einer möglichen Falltür auszuweichen. Tatsächlich verhielt sich alles sehr ordentlich. Die Kabine kam auf eine gedämpfte und ein wenig schwingende Weise zu stehen. Sodann glitt die Tür mit einem Klingelton zur Seite, nur daß dieser Ton in einen langgestreckten Gang hinaushallte. Dieser Gang in der Art eines betonierten Stollen war von in zwei Reihen angebrachten Neonröhren erleuchtet, deren gelegentliches Flackern erneut an die Tippserei eines Affen erinnerte.
    Jordan ging ohne allzu große Vorsicht aus dem Lift hinaus und schritt jetzt durch den geraden Korridor. An den Wänden prangten verschiedene Graffiti, vieles davon für Jordan unleserlich, wenn es sich nicht ohnehin um abstrakte Kürzel handelte. Hin und wieder aber waren konkrete Symbole zu erkennen, die auf die Gestalt eines Hais verwiesen, auch Abbildungen einzelner Teile wie Flossen und Zähne, alles ein wenig archaisch in seiner Darstellung – zeitgenössische Höhlenmalerei. Auch waren klare Äußerungen zu lesen, beinahe in Schönschrift notiert, mädchenhaft, wenn man das sagen darf, etwa: Laßt uns tanzen mit den blinden Haien! Und jemand anders hatte verewigt: Wenn sie einen von uns fressen, ist das Teil des Rhythmus. Wenn wir einen von ihnen aus dem Wasser angeln, ist das Teil des Rhythmus. Der Rhythmus ist Gott. Ein Zyniker freilich hatte ergänzt: Und wer füttert diese Schweine mit dem Müll der Stadt? Auch der Herr im Himmel?
    Möglich, daß irgendwo eine Antwort dazu geschrieben stand. Doch hatte Jordan nicht die Zeit, sich genauer damit zu beschäftigen, und trat am Ende des Gangs an eine der typischen waldgrünen Metalltüren, die er – quasi im Schatten der eigenen gezogenen Pistole stehend – rasch öffnete, so rasch es eben ging, da ihm die Tür einen beträchtlichen Widerstand entgegensetzte. Was damit zusammenhing, daß jemand gegen diese Tür gelehnt war. Dieser Jemand bequemte sich nun, aus dem Weg zu gehen und Jordan einen freien Blick zu gewähren, der auf einen hohen Raum von der Größe eines halben Fußballfeldes fiel. Von der kathedralisch gewölbten Decke, aus der mehrere, breite Rohre in den Raum standen, baumelten girlandenartig Neonröhren. Über eine betonierte Rampe gelangte man mehrere Meter hinunter zu einem dunklen, ja schwarzen Gewässer, auf dessen leicht bewegter Fläche die Deckenlichter sich spiegelten gleich einem zerschnittenen Weihnachtsmarkt. Entlang der abschüssigen Fläche saßen Jugendliche und bildeten eine Gruppe. Ein paar jedoch standen außerhalb und sahen verträumt aufs Wasser hinaus. Auch die Hunde dieser Jugendlichen bildeten eine Gruppe, zerrten an irgendeinem Gegenstand, einem Stück Ball oder  … nun, es war mit Sicherheit ein Ball, denn ihr Spiel fiel relativ moderat aus. Einige der Jugendlichen machten einen rundweg verwahrlosten

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