Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
einem Unbehagen heraus, mit Edda Boehm zusammenzuarbeiten. Er wußte ja, wie wenig sie ihn leiden konnte. Auch wollte er nicht neben einer Frau im Wagen sitzen, die möglicherweise seinen Anzug für geschmacklos hielt, seine Kompetenz bezweifelte, seine Fahrweise bemängelte oder auch noch anfing, eine Diskussion über Opern vom Zaun zu brechen. Opern waren nicht seine Sache. Die wenigen, die er kannte, hatten sein Vorurteil begründet, es handle sich um eine outrierte, überflüssige Kunstform. Um einen Knochen für Spießer.
Nicht, daß er Frau Boehm für spießig hielt. Eher für verrückt. Verrückt und anmaßend. Arrogant und gebildet. Und wenn schon Spießer, dann der schlimmste Snob unter allen Spießern. Jedenfalls erklärte Jordan jetzt mit vorgeschobener Großzügigkeit, die Kollegin Boehm solle ruhig in ihre Oper gehen, er könne die Sache ja mit Lindner oder Röder erledigen.
Lukastik schüttelte den Kopf wie über eine kindische Dummheit seines Assistenten. Dann machte er klar: »Wenn ich sage, daß ich möchte, daß Sie beide fahren, und nicht etwa irgendein Lindner oder Röder, dann denke ich mir dabei etwas.«
»Wie Sie wollen«, meinte Jordan und lehnte sich zurück. Seine Augen waren offen und ruhig. Der Sandsturm hatte sich gelegt, so, wie sich alles legt, wenn man nur ein wenig wartet. Oder auch bloß seine Einstellung zu den Dingen ändert.
Boehm aber protestierte noch immer. Sie sei schließlich kein Eigentum der Polizei. Auf eine Oper zu verzichten, für die sie bereits Karten habe, sei ihr ein Greuel. Dafür gebe es ja Dienstpläne, um sich an selbige tunlichst zu halten.
»Niemand hat Sie gezwungen«, sagte Lukastik, »sich derart zu engagieren. Es hätte genügt, mir das Hörgerät auf den Tisch zu legen und den Namen des Herstellers zu nennen.«
»Wollen Sie mich für meinen Fleiß bestrafen?«
»Ich versuche Ihnen zu verdeutlichen, daß jemand, der vom Brett ins Wasser springt, nicht auf der Hälfte des Weges umkehren kann. Wenn Sie meinen, über die konventionelle Spurensicherung hinausdenken und hinaushandeln zu müssen, dann müssen Sie auch mit Konsequenzen rechnen. Man kann keine halbe Karriere machen.«
»Sie können mich nicht zwingen«, sagte Boehm.
»Natürlich kann ich das. Ich ziehe Sie ganz einfach von der Spurensicherung ab und ordne Sie Jordan zu. Ich will, daß so wenig Leute wie möglich über die Details in diesem Fall informiert sind. Fürs erste. Sie wissen schon, die vielen Köche und der Brei.«
»Soll ich vielleicht mit diesem Kleid …?«
»Es steht Ihnen, das Orange.«
»Zinnober«, sagte Boehm im Ton der Verachtung.
»Wie Sie meinen, Frau Boehm. Jedenfalls wird es nicht nötig sein, sich einen unbequemen Kampfanzug überzustreifen. Sie und Jordan fahren jetzt zu dieser Tankstelle, um sich nach Sternbach zu erkundigen.«
»Was ist«, fragte Jordan, »wenn wir auf einen Mann dieses Namens treffen, einen lebenden Mann?«
»Behutsame Befragung. Und sehen Sie sich seine Ohren an.« Jordan gab zu bedenken, daß es spät sein würde, bis man die Tankstelle erreicht habe.
»Trotzdem«, sagte Lukastik. »Die Sache duldet keinen Aufschub. Wenn nötig, übernachten Sie dort. Zimmer gibt es ja. Und rufen Sie mich an, sobald Sie sich einen Überblick verschafft haben.«
Es war nicht so, daß Lukastik eine mögliche Gefahr außer acht ließ. Andererseits war es unmöglich, wegen der Verbindungslinie, die zwischen Sternbach und der elektronischen Innerei eines Gehörgerätes bestand, eine Tankstelle im schönen Waldviertel umstellen oder gar stürmen zu lassen. Vielleicht war Sternbach das Opfer. Vielleicht war er bloß ein Freund des Opfers gewesen. Noch immer stellte ein Gehörschaden für viele Menschen eine Peinlichkeit dar. Vielleicht also hatte dieser Egon Sternbach sich einfach nur hilfsbereit verhalten und jemand einen Dienst erwiesen. Und im übrigen nicht die geringste Ahnung von Haifischen. Vielleicht aber …
»Ich werde Ihnen den Wozzeck ersetzen«, sagte Lukastik, als man sich erhob.
»Meine Güte«, stöhnte Boehm. »Was denken Sie eigentlich? Daß es mir ums Geld geht? Allein wie das klingt: Wozzeck ersetzen . Sie stehlen mir einen Opernabend. Darum geht es.«
»Da kann man nichts machen«, meinte Lukastik. Er stand jetzt vor Paul Trogers monumentalem Altarbild gleich einem Priester, der in seinen Kirchenraum hineinhorcht und hinter dem hallenden Schnaufen von Schafen und Wölfen das Wort Gottes sucht.
Jordan und Boehm verließen das durch
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