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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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stand.«
    »Haben Sie den Leuten ein Bild des Toten gezeigt?«
    »Ja. Aber die waren sich nicht sicher. Der Geschäftsführer so wenig wie seine beiden Angestellten. Die übliche Sache: Widersprüche: älter, jünger, dicker, dünner. Der Verkauf des Hörgerätes liegt drei Jahre zurück. Das ist einfach zu lange her. Für Menschen, nicht für einen Computer. Der hatte wenigstens noch immer Sternbachs Adresse und Telephonnummer gespeichert.«
    »Ich bin sicher«, sagte Lukastik, »Sie können uns bereits etwas über diesen Herrn sagen.«
    Boehm strich sich über den bis zum Ellenbogen reichenden linken Ärmel ihres Kleides. Auf der samtenen Fläche glänzte die Spur ihres Fingers und erinnerte an eine dieser ominösen Spuren inmitten von Kornfeldern. Dann reichte sie Lukastik einen Computerausdruck, auf dem Sternbachs Name, eine Telephonnummer und eine Adresse notiert waren.
    »Das wäre ja wohl unverschämt gewesen«, sagte Boehm, »diese Adresse aufzusuchen, ohne mich vorher mit Ihnen abgesprochen zu haben. Ich investigiere nicht, ich sichere Spuren. Ich tanze nie aus der Reihe.«
    »Sie tanzen selten in der Reihe«, bemerkte Lukastik. Dann betrachtete er das Papier und fragte: »Was ist das für eine Adresse?«
    »Eine Tankstelle im Waldviertel, zwischen Grafenschlag und Zwettl.«
    »Wie? Dort soll Sternbach wohnen? Oder gewohnt haben?«
    »An die Tankstelle ist ein Supermarkt, ein Friseursalon und eine Kneipe angeschlossen. Und ein paar Zimmer für Gäste und Angestellte. Das Ganze heißt Rolands Teich .«
    »Wer sagt das?« fragte Jordan.
    »Keine Angst. Ich habe niemanden von der dortigen Gendarmerie um Amtshilfe gebeten. Keine Amtshilfe ohne verheerende Folgen, ich weiß. Deshalb habe ich mit einer Freundin telephoniert, die in Zwettl lebt.«
    »Auch die Hilfe von Freundinnen kann verheerend sein«, insistierte Jordan auf einem Fehlverhalten.
    »Sie brauchen mich nicht zu mögen«, meinte Boehm.
    »Was soll das jetzt heißen?« erkundigte sich Jordan. Seine Augen war bloß noch schmale Schlitze. Er schien nun im Zentrum des Sandsturms zu stehen.
    »Sie haben gute Arbeit geleistet, Frau Boehm«, beendete Lukastik den kleinen Disput.
    Jordan schloß seine Augen.
    Lukastik sah auf die Uhr. Es blieb ihm nicht allzu viel Zeit, wollte er pünktlich zum Abendessen erscheinen. Also beeilte er sich, von seinem Besuch bei Erich Slatin zu berichten, dem erwachsen gewordenen Wunderkind der Haibiologie, welcher einen vielleicht zweihundert Kilo schweren Swan River Whaler in Verdacht hatte, jenen Mann getötet zu haben, in dessen Gehörgang ein Chip von Heaven Of Hearing seine Dienste verrichtet hatte.
    Boehm und Jordan enthielten sich eines Kommentars. Was hätten sie auch sagen sollen? Keiner von ihnen hatte je mit einem Carcharhinus leucas zu tun gehabt. Es war offenkundig, daß Boehm wie Jordan die Tankstellen-Spur als die weit sympathischere, weil konkretere empfanden. Zwettl war ein Ort, den man kannte, ein Ort mit Stiftskirche, Handschriftensammlung und Brauerei, ein Ort als Stadt, keine zweihundert Kilometer von Wien entfernt. Die verschiedenen Heimaten des Carcharhinus leucas hingegen erschienen in diesem Zusammenhang so weit entlegen wie Kleingartensiedlungen auf Mars oder Venus. Die Hai-Geschichte verstörte. Die Hörgerät-Geschichte nicht.
    »Der Fisch ist meine Sache«, sagte Lukastik. Dann fragte er Boehm: »Welche Oper heute abend?«
    » Wozzeck .«
    »Ich bin überzeugt, Frau Boehm, daß Sie Wozzeck schon unzählige Male gesehen haben.«
    »Nicht in dieser Inszenierung. Was soll das überhaupt?«
    »Es wäre töricht«, meinte Lukastik, »einfach nach dem Telephon zu greifen und diese Nummer hier zu wählen, um damit möglicherweise jemanden zu warnen, den man nicht warnen sollte. Oder gar die Gendarmerie von Zwettl zu ersuchen, sich diese Tankstelle vorzunehmen. Vielmehr drängt sich eine behutsame Vorgangsweise auf. Ich möchte, daß Sie beide sofort an diesen Ort fahren, um sich dort umzusehen. Behutsam, wie gesagt. Behutsame Befragungen. Und wenn nötig, eine behutsame Festnahme.«
    »Kommt nicht in Frage«, sagte Boehm. »Warum fahren Sie nicht selbst?«
    Natürlich ließ Lukastik unerwähnt, daß ein Abendessen auf ihn warte, welches er sich scheue, ausfallen zu lassen. Statt dessen erwähnte er seinen Termin in Dr. Pauls Studierstube. Auf daß Erich Slatin ein definitives Urteil abgeben könne.
    Doch auch Jordan wehrte sich. Weniger, weil er sich seinen Abend nicht verderben lassen wollte, als aus

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