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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Polizisten. Und ein Polizist hört auf, irgend etwas anderes zu sein. Das mag ein Mythos sein. Aber sicher nicht der schlechteste.
    Vor dem Hintergrund von Paul Trogers Märtyrerdarstellung saß also Lukastik in einem breitarmigen, schwarzen Lederstuhl und sah hinunter auf das Zahnfragment und die verwaiste kleine Hörhilfe. Der Anblick erinnerte ihn an eine jener Werbungen, in denen die Kleinheit, die erstaunliche Miniaturität eines Artikels beworben wird. Neben dem Zahn wirkte das Hörgerät verschwindend.
    Die Frau von der Spurensicherung, die zusammen mit Jordan an der Vorderseite des Tisches saß, sagte, welches Glück man habe. Gerade darum, weil es sich bei dieser Hörhilfe nicht um eines der gängigen Produkte handle. Was rein äußerlich schwer zu erkennen sei, um so mehr als die Schale des Geräts mit einiger Sicherheit hier im Land hergestellt worden sei. Die Elektronik jedoch stamme von einem amerikanischen Erzeuger, dessen Produkte in Europa kaum vertrieben würden.
    »Wir haben das Ding auseinandergenommen«, sagte die Frau. »Auf den Prozessoren, so winzig sie sind, steht der Firmenname und die Seriennummer. Die Produzenten nennen sich HOH . H eaven O f H earing . Die sitzen an der Ostküste. Ich habe mir erlaubt, dort einmal anzurufen. Nette Leute, zugänglich und kooperativ. Ich hatte das Gefühl, sie seien ein wenig stolz auf diese Leiche.«
    »Ich hoffe«, sagte Lukastik, »Sie haben den Fisch unerwähnt gelassen.«
    »Was denken Sie denn? Ich will mich doch nicht lächerlich machen. Also, die Leute von HOH haben einen Blick in ihren Computer getan und festgestellt, daß ein Gerät mit dieser Seriennummer zu einer kleinen, für Österreich und Deutschland bestimmten Lieferung gehört hat. Heaven Of Hearing vertreibt die Produkte nicht selbst, zumindest nicht in Europa. Das würde den Aufwand nicht lohnen. Dafür gibt es Zwischenhändler. Man war auch so freundlich, mir den Namen der Person zu nennen, welche besagte Lieferung erhielt. Ein Mann in Hamburg, der wiederum ein Fachgeschäft hier in Wien angab, an das er das fragliche Gerät weitergeschickt hat. Ich war bereits dort und habe mich informiert. Der Geschäftsführer war nicht ganz so erbaut. Er hätte wohl lieber einem waschechten Chefinspektor seine Datenbank geöffnet.«
    »Verständlich«, sagte Lukastik. »Aber ich hoffe, Sie brauchten dem Mann nicht zu drohen.«
    »Ich habe ihn vor die Wahl gestellt.«
    »Vor welche Wahl?« fragte Jordan.
    »Ich weiß nicht. Einfach vor die Wahl. Es ist manchmal besser, denke ich, die Dinge im unklaren zu lassen. Im unklaren reifen sie bisweilen zu ungeahnter Blüte.«
    »Und?« drängte Lukastik, der den Ehrgeiz dieser Frau, welche die Grenze ihrer Kompetenzen leichthändig verschob, durchaus zu schätzen wußte.
    »Der Mann, der dieses Hörgerät gekauft hat, heißt Sternbach. Egon Sternbach.«
    »Schön! Unser Toter also«, folgerte Jordan.
    »So ganz sicher ist das nicht«, sagte Edda Boehm, welche übrigens längst nicht mehr diesen häßlichen, unförmigen, milchigweißen Overall der Spurensicherung trug, in dem ein jeder Mensch wie ein Müllsack seiner selbst aussieht, sondern ein Abendkleid, das enganliegend und zinnoberfarben ihre kräftige, aber in keiner Weise derbe Figur herausstrich. Eben nicht den Körper, sondern vielmehr die Figur kleidete. Der Körper wurde quasi zugunsten der Figur zurückgenommen. Der Körper verschwand, die Figur blieb.
    Boehms ungewöhnlich festlicher Aufzug war nicht ungewöhnlich. Wie so oft, hatte sie an diesem Abend geplant, in die Oper zu gehen. Die Opernhäuser der Stadt waren ihr eine zweite Heimat. Eine bessere Heimat, wie sie nicht müde wurde zu betonen.
    »Was soll das heißen, nicht sicher?« kniff Jordan seine Augen zusammen, als tauche er in einen Sandsturm.
    Boehm erklärte, daß der Mann mit dem Namen Sternbach zwar das Gerät bestellt und gekauft habe, aber eben nur jenen elektronischen Teil von Heaven Of Hearing . Auf ein dazugehöriges Gehäuse, dessen Herstellung ihm natürlich angeboten worden war, hätte er verzichtet. Ohne dafür einen Grund anzugeben. Auch habe er in keiner Weise die Kostenbeteiligung einer Krankenkasse beansprucht oder das Gutachten eines Ohrenarztes vorgelegt, sondern nur eine sehr präzise Order getätigt.
    »Es ist somit völlig unklar«, schloß Boehm, »wer das Gehäuse hergestellt hat und ob es überhaupt für Sternbach bestimmt gewesen ist. Möglicherweise für eine ganz andere Person, in dessen Auftrag Sternbach

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