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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Lukastik und zog eine Fotographie aus seiner Anzugtasche, die das Gesicht jenes toten Mannes zeigte, den man morgens aus einem Schwimmbad gezogen hatte.
    Lukastik hielt die Abbildung ins Licht, das aus dem Inneren der Tankstelle fiel. Sternbach betrachtete es eine Weile, dann erklärte er, ja, das sei die Person, in dessen Auftrag er ein Hörgerät erworben habe.
    »Haben Sie ihn sofort erkannt?« fragte Lukastik.
    »Eigentlich schon«, antwortete Sternbach. »Aber er sieht nicht wirklich gut aus auf diesem Bild. Krank  … oder vielleicht  … nun, er wirkt ziemlich tot.«
    »Er war gewissermaßen zu lange im Wasser«, erklärte Lukastik.
    »Was heißt das? Gewissermaßen?«
    »Er ist nicht ertrunken, wie Menschen dies in der Regel zu tun pflegen. Sein Tod war kein Unfall.«
    »Sondern?«
    »Später«, sagte Lukastik. »Wir sind gerade erst am Beginn unserer Ermittlungen und wissen noch nicht mal seinen Namen. Deshalb stehe ich ja mitten in der Nacht an diesem verlorenen Ort und halte Sie und mich vom Schlafen ab. Also, wie heißt der Mann?«
    »Tobias Oborin.«
    »Was ist das für ein Name?«
    »Ein tschechischer. Aber Oborin ist kein richtiger Tscheche, mehr ein abhanden gekommener. Vergessen wir nicht, er hat eine Silbermedaille für Österreich gewonnen. Viel mehr kann man für dieses Land nicht tun, nicht wahr?«
    Es klang nicht wirklich, als würde Sternbach die Bemerkung mit der Medaille ernst meinen. Weshalb Lukastik auch gar nicht erst reagierte, sondern wissen wollte, wo er Oborins Wohnung finde.
    »Am Rande von Zwettl. Er hat dort ein Haus stehen. Ich kann Ihnen die Adresse aufschreiben  … Sie wollen doch nicht jetzt noch hin?«
    »Nun, Herr Oborin ist tot«, resümierte Lukastik, »und sein Haus kann uns nicht davonlaufen. Es wird reichen, mir das morgen anzusehen. Wobei es gut wäre, wenn Sie mich begleiten könnten.«
    »Ich habe eine Arbeit.«
    »Sie sind wohl nicht allein mit dieser Arbeit.«
    »Ein Geschäft ohne Chef wirkt auf die meisten Kunden bedrohlich. Wie ein Winter ohne Schnee. Oder eine Uhr ohne Zeiger.«
    »Damit werden Ihre Kunden leben müssen. Einen Vormittag lang. Ohne Schnee und ohne Zeiger.«
    »Wenn Sie es wünschen. Ich kann mich wohl kaum weigern, jetzt, wo ich unter Verdacht stehe.«
    »Wie kommen Sie darauf? Ich halte Ihre Geschichte für durchaus glaubwürdig. Um so mehr, wenn ich bedenke, daß Sie das Hörgerät unter Ihrem eigenen Namen bestellt haben. Das spricht nicht gerade für Kalkül und Vorsicht. Und ein wenig von beidem erwarte ich mir schon im Falle des Mörders. Nein, Herrn Sternbach, wenn Sie der Polizei helfen, dann tun Sie das natürlich freiwillig. Allerdings wäre jede andere Reaktion nicht bloß asozial, sondern dazu angetan, mich gehörig zu verärgern.«
    »Das soll nicht sein«, sagte Sternbach.
    Lukastik nickte. Dann fragte er, in welchen Verhältnissen Oborin gelebt und worin seine Arbeit bestanden habe.
    »Er war allein, soweit ich weiß«, sagte Sternbach. »Hat sich vor Jahren scheiden lassen. Die Frau ist nach Linz gezogen. Sein Beruf  … also, wissen Sie, ich denke, daß er auch einige Male für die Polizei tätig gewesen ist. Beziehungsweise als Experte vor Gericht. Oborin war Graphologe. In erster Linie natürlich als Gutachter, aber er hat auch ein paar Bücher verfaßt. Populäres, wenn man das sagen darf. Damit jeder sein eigener kleiner Experte sein kann.«
    Sternbach behauptete, Oborin sei ein versierter, verläßlicher Gutachter gewesen, jedoch allzu verbissen in die Vorstellung von der Handschrift als einem Röntgenbild der Seele, um noch als normal gelten zu dürfen. Alles an ihm habe ein wenig wahnsinnig angemutet, sein Körperkult, die Unzufriedenheit mit seinen an sich schönen Haaren, die Besessenheit, mit der er sich auf jedermanns Handschrift gestürzt habe. »Bevor er sich das erste Mal von mir hat frisieren lassen, mußte ich ihm auf einem Zettel einen Satz aufschreiben.«
    »Was für einen Satz?«
    » Wer schreibt, verrät sich . Ich fand das ziemlich absurd. Vor allem, mich zu etwas Derartigem zwingen zu lassen. Aber wie ich schon sagte, ich tue mich schrecklich schwer, nein zu sagen.«
    »Der Friseur als guter Mensch«, spöttelte Lukastik.
    »Der Friseur als schwacher Mensch«, verbesserte Sternbach. »Jedenfalls habe ich nicht gleich begriffen, daß Tobias Oborin allein an meiner Handschrift interessiert gewesen ist, an der Physiognomie der Zeichen, wie er das nannte. Er wollte, daß ich mich offenbare. Was denn auch

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