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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Belästigung einhandeln? Nein, er wollte seine Würde behalten, gerade hier, gerade an einem Ort, den er soeben als Endpunkt der Zivilisation definiert hatte.
    Die drei anderen Gäste schwiegen. Es war ein beredtes Schweigen. Lukastik hatte verstanden. Sternbach war hier hoch geachtet. Ein Figaro mit goldenen Händen. Es war deutlich zu sehen: Auch die drei Männer, wahrlich keine Beaus, besaßen einen perfekten Haarschnitt, der das Feiste und Grobkörnige ihrer Gesichter ein wenig erträglicher machte. Gleich einem Krönchen, das die Blicke anzog.
    Er sah nicht eigentlich wie ein Friseur aus, der Mann, der zehn Minuten später die Bar betrat. Diese gewisse Schrägstellung seiner Augenschlitze verriet, daß er bereits fest geschlafen hatte, als der Anruf gekommen war. Alles andere an ihm verwies hingegen auf einen Hang zur Perfektion. Sternbach stand also nicht etwa im Schlafmantel oder mit einem eilig übergezogenen, offenen Hemd vor Lukastik, sondern war mit einem dunklen Anzug bekleidet, der seinen schlanken Körper tadellos umgab. Ohne jedoch die augenfällige Penetranz jener Täuschung zu besitzen, die in allem Maßgeschneiderten steckt (das Maßgeschneiderte stellt ja gar nicht eine Betonung der wirklichen Verhältnisse dar, sondern vertuscht diese Verhältnisse mittels diverser Tricks).
    Der Knoten seiner Krawatte besaß eine passende Größe. Dieser Knoten erinnerte an ein kleines Herz, das außerhalb getragen wurde. Hingegen besaß Sternbach weder einen Ohrring, noch waren seine schwarzen Haare gebleicht. Weder wirkte er schwul noch wie ein Italiener oder Südfranzose und redete auch nicht wie ein Kastrat. Er war ein mittelgroßer, schmaler, etwa fünfunddreißigjähriger Mann mit einem unauffälligen, brillen- und faltenlosen Gesicht, dessen einzige Anmaßung in einem zuweilen sanften Blick bestand. Im Grunde aber verhielt sich Sternbach nicht weniger ernst und konzentriert, als es die Situation gebot. Seine Stimme war klar und kräftig, besaß aber nichts, was man als den Geruch einer Stimme hätte bezeichnen können. Ja, der ganze Egon Sternbach schien geruchlos. Was ein wenig an jene Individuen erinnerte, die ohne einen Schatten auskommen und sich solcherart als Untote verraten.
    Sternbach deutete eine Verbeugung an, reichte Lukastik die Hand und nannte seinen Namen, fragte aber nicht etwa, warum man ihn um diese Zeit aus dem Bett hole, sondern erkundigte sich, in welcher Weise er der Polizei von Wien behilflich sein könne.
    »Gehen wir nach draußen«, schlug Lukastik vor.
    Sternbach folgte dem Chefinspektor ins Freie. Es war kühl trotz Hochsommer, wie dies im Waldviertel so der Fall ist. Das Mondlicht änderte nichts daran, daß eine Menge Sterne deutlich am Nachthimmel standen. Wenigstens entsprach dies der Empfindung Lukastiks, der als Großstadtmensch nur selten dazukam, sich der Sterne bewußt zu werden und in der Folge an Gott zu denken. Darum auch waren die Leute auf dem Land im Schnitt um ein vielfaches religiöser. Einfach, weil sie zu viele Sterne sahen. Die häufige Ansicht der funkelnden Himmelskörper wirkte wie eine Pumpe, die ihnen Abend für Abend den Gedanken an den Schöpfer zutrug.
    »Zigarette?« fragte Lukastik und stellte sich seinerseits vor.
    Sternbach schüttelte den Kopf und ließ sich nun doch zu einer kleinen Spitze hinreißen, indem er meinte, er pflege nicht während seiner Nachtruhe zu rauchen.
    »Ich hätte Sie nicht zu stören brauchen«, sagte Lukastik und blies – von seinem Atem getragen – eine schlanke Wolke ins Freie, »hätten meine Kollegen Sie erreicht.«
    »Welche Kollegen?«
    »Vor ein paar Stunden habe ich meinen Assistenten und eine Dame von der Spurensicherung hierhergeschickt, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen.«
    »Spurensicherung? Um Himmels willen. Das klingt ungewöhnlich ernst«, meinte Sternbach, ohne daß so etwas wie Sarkasmus anklang. Er schien aufrichtig erstaunt zu sein über die Brisanz der Angelegenheit und versicherte Lukastik, daß niemand von der Wiener Kriminalpolizei ihn aufgesucht habe. Er hätte wohl kaum schlafen können, wäre er zuvor von ermittelnden Beamten befragt worden. Er verfüge über angegriffene Nerven und einen schlechten Schlaf.
    Die Sache mit den Nerven irritierte Lukastik. Sternbach wirkte alles andere als ein Neurastheniker, eher beherrscht und ruhig. Aber was wußte man schon? Es gab Leute, die halbtaub waren, und keiner merkte es.
    Sternbach wollte wissen, worum es eigentlich gehe.
    »Tragen Sie ein

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