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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Dabei warf er einen Blick auf das weiße Telephon, das oberhalb des Bettes an die Wand montiert war.
    »Halb sieben. Gut!« sagte Selma Beduzzi. »Sonst noch was?«
    »Die Jacke, die Sie da tragen  …«
    »Ein schönes Stück. Nicht wahr?«
    »Ein schönes Stück«, bestätigte Lukastik, der sich nicht sicher war, was er eigentlich damit bezweckte, dieses lederne Unikum zu erwähnen. Er wollte keineswegs die Geschichte dieser Jacke erfahren. Also beeilte er sich, Frau Beduzzi eine gute Nacht zu wünschen.
    »Ihnen auch«, sagte sie und verließ den Raum mit einer Bewegung, die etwas von der Beiläufigkeit besaß, mit der Großkatzen durch Feuerringe zu springen pflegen.
    Lukastik setzte sich aufs Bett und griff nach seinem Handy. Er rief in seiner Abteilung an, um sich nach Jordan und Boehm zu erkundigen. Doch von den beiden war keine Meldung eingegangen. Der Versuch, über Funk einen Kontakt herzustellen, hatte sich als ergebnislos erwiesen. Auch die Handys waren noch immer in den Boxen geparkt. Kommunikationstechnisch gesehen waren Jordan und Boehm aus der Welt herausgefallen, praktisch über die Kante gerutscht, die einen scheibenförmigen Planeten so gefährlich macht.
    Lukastik gab Anweisung, ihn sofort zu informieren, wenn sich die beiden meldeten. Zu jeder Zeit. Dann fragte er, ob sich sonst etwas getan habe.
    »Nichts Ungewöhnliches. Nur die übliche Aufregung im Gartenpalast«, sagte der Mann vom Nachtdienst. Gartenpalast war eine interne Chiffre für jene Sphäre, die den Major betraf. Beziehungsweise stand sie für alles, was vom Major aufwärts sich ereignete. Der Gartenpalast , das war das Geflecht aus Politik, Justiz und leitenden Polizeibeamten, ein Geflecht permanenter Abwägungen. Eine Welt viel weniger der Korruption als der Rücksichtnahme. Eine Operettenbühne, in der es Leute gab, die Präsident oder General oder Kanzler oder Hofrat hießen, oder eben Major, geradeso, als steckte man noch bis zum Hals in der Welt von gestern.
    »Ach, der Gartenpalast!« stöhnte Lukastik und wollte auch gar nicht wissen, wer was forderte. Er sagte bloß: »Armer Major.«
    Eigentlich wäre es vernünftig gewesen, wenn Lukastik durchgegeben hätte, wo er sich gerade befand. Aber er unterließ dies. Überhaupt tendierte er dazu, soviel als möglich für sich zu behalten. Wie gesagt, er fürchtete den Stumpfsinn der anderen. Und er fürchtete eine Inflation von Entscheidungen und Interventionen.
    Lukastik legte auf und schlüpfte aus seinen Kleidern, die er ordentlich gefaltet auf jenem weißen, großen Aschenbecher ablegte. Bloß noch mit seiner Unterhose bekleidet – ein wenig wie der Mann, der nach Adam kam –, ging er ins Badezimmer, nahm die bereitgestellte kleine Zahnbürste sowie eine Tube, die beide in seinen Händen wie Kinderspielzeug lagen, und putzte seine Zähne mit der üblichen Genauigkeit und Geduld.
    Zurück im Zimmer, schaltete er das Licht ab, bewegte sich blind durch die einhellige Schwärze und legte sich in sein Bett, das trotz der Last seines Polizistenkörpers völlig tonlos blieb. Bei aller Müdigkeit versagte sich Lukastik ein sofortiger Schlaf. Er lag da, gerade auf dem Rücken und, die Hände angelegt, wie dies Kranke tun, die eine Visite erwarten und nicht durch Nachlässigkeit auffallen wollen. Seine Atmung ging schwer und rasch. Er registrierte den Klang seines Herzens, in der Art, in der man fremde Schritte draußen auf dem Flur vernimmt. Eine Folge von Gedanken bildete eine Kette, die gleichsam über seinem Kopf tanzte. Richard Lukastik dachte gerne über die Unterschiede zwischen der Wirklichkeit seines Berufs und der Darstellung desselben in den abendlichen und nächtlichen Fernsehprogrammen nach. So oft er konnte, konsumierte er diese Filme. Nie ohne ein ungläubiges Schmunzeln oder eine leichte Erregung. Er war in diesen Momenten wie ein Tier, das sich einen Naturfilm ansieht und sich nur so wundern kann, welch abgehobene Sichtweise die Dokumentaristen von den tatsächlichen Verhältnissen entwickeln. Wie sehr sie bemüht sind, die Welt zu zerlegen und aufzuschrauben, um dann den ganzen Haufen von Einzelteilen als Bild der Natur zu verkaufen. Kein Zebra und kein Löwe erkannte sich in diesen Filmen wieder. Es war, als verlangte man von einem Hochhaus, es solle das Foto einer Garage als Porträt von sich selbst akzeptieren.
    Lukastik überlegte jetzt, daß sich in so gut wie allen diesen Kriminalgeschichten nach kurzer Zeit ein übersichtlicher Kreis von Verdächtigen ergab,

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