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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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dieser Schritt bestanden hat. Es war ein persönlicher Eindruck, den ich hatte.«
    Lukastik rieb sich das Kinn, dann sagte er, Tobias Oborin sei auf eine höchst merkwürdige Weise gestorben. Wobei sich das Merkwürdige – wie alles Merkwürdige – nicht zuletzt aus der Unwissenheit ergebe, mit der die Polizei momentan dastehe. Darum sei er, Lukastik, ja hier, um einen Keil in diese Unwissenheit zu treiben.
    »Verständlich«, sagte Bruder Isidor.
    Lukastik beugte sich ein wenig nach vorn und erklärte, wobei er unwillentlich im Flüsterton sprach: »Herr Oborin wurde von einem Hai getötet.«
    Bruder Isidor fiel in keiner Weise aus den Wolken. Vielmehr schien er vergessen zu haben, daß von einem Mord in Wien die Rede war. Er erwähnte nämlich, einige Male mit Oborin über dessen Leidenschaft für den Tauchsport gesprochen zu haben. Und meinte dann, daß ein solcher Unfall natürlich höchst tragisch sei.
    »Er starb nicht beim Tauchen. Nicht in der Südsee«, sagte Lukastik und beschrieb nun Ort und Umstände des Leichenfunds, wobei er auch das Auffinden jenes winzigen Hörgerätes erwähnte.
    »Das ist seltsam«, sagte Bruder Isidor.
    »Ja«, bestätigte Lukastik, »Haie auf Hochhäusern sind nicht die Norm.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Wie, das meinen Sie nicht?«
    »Ich denke an das Hörgerät, von dem Sie sprachen und das Herr Oborin besessen haben soll. Ich halte das für ausgeschlossen. Herr Oborin litt mit Sicherheit an keinem Gehörschaden.«
    Lukastik blieb vollkommen gelassen und beschrieb dem Mönch, daß es sich bei dieser speziellen Hörhilfe um ein ausgesprochen kleines, im Gehörgang quasi wegtauchendes Gerät handeln würde.
    »Ich kenne solche Apparate«, sagte Bruder Isidor. »Meiner Mutter wegen. Ich kann Ihnen versichern, so klein diese Objekte auch sind, wenn man sie sehen möchte, sieht man sie. Ich will nicht behaupten, ich sei ein Spezialist. Aber ich mußte meiner Mutter in dieser Angelegenheit ein wenig behilflich sein und habe dabei einiges gelernt. Ich weiß, wie ein derartiges Gerät aussieht. Und wie es aussieht, wenn es in einem Ohr sitzt. Und ich kann Ihnen also sagen, daß Herrn Oborin niemals ein solches getragen hat. Und daß es in seinem Fall auch nicht das geringste Anzeichen für irgendeine Hörschwäche gab.«
    »Sie hatten viel mit ihm zu tun?«
    »Genügend, um meine Behauptung guten Gewissens aufrechtzuerhalten. Herr Oborin besaß ein intaktes Gehör.«
    »Es war nicht vielleicht so, daß Oborin Ihnen stets nur eine Seite seines Profils zugewandt hat?«
    »Das wäre mir aufgefallen. Meine Mutter hat das eine ganze Weile getan. Nein, Herr Lukastik, verabschieden Sie sich von Ihrer Theorie. – Sie verzeihen meinen Rat. Ich will nicht aufdringlich erscheinen.«
    Lukastik biß sich auf die Lippe. Dann äußerte er: »Ich befürchte, daß Sie mir sehr geholfen haben.«
    »Warum befürchten Sie?«
    »Kennen Sie einen Mann namens Sternbach? Egon Sternbach.«
    »Sie meinen den Friseur«, sagte Bruder Isidor.
    »Ja. Ist er denn auch Ihr Friseur?«
    »Nein. Haarschnitt ist im Kloster ein eher vernachlässigtes Thema.«
    »Ihre Frisur ist perfekt«, stellte Lukastik fest.
    »Einer unserer Brüder ist darin versiert. Aber wie gesagt, es ist kein Thema. Allerdings ist mir bekannt, daß Herr Oborin mit Sternbach verkehrt hat.«
    »Eine Freundschaft?«
    »Das wäre wahrscheinlich zuviel gesagt. Aber in diesem Punkt kann ich Ihnen kaum helfen. Ich habe mit Herrn Oborin selten über Privates gesprochen. Ein Kloster ist mitnichten ein Ort der Seelsorge, schon gar nicht die Räume der Stiftsbibliothek, in denen ich zumeist mit Herrn Oborin zusammengetroffen bin. Sie verstehen?«
    »Natürlich«, sagte Lukastik. Dann stieß er sich leicht vom Gemäuer ab, an das er sich gelehnt hatte, und dankte Bruder Isidor für seine Hilfe.
    Dieser geleitete Lukastik wieder nach draußen auf den Abteihof. Es war, als trete man in eine brennende Welt. Die goldene Salvator-Statue auf der Spitze der kupfernen Turmkuppel strahlte jetzt weiß wie von Schnee bedeckt. Lukastik ging einen Schritt in den Schatten, während Bruder Isidor in einer Armlänge Entfernung in der Sonne stehenblieb, so daß jetzt die scharfe Kante des Gebäudeschattens zwischen ihnen lag. Tatsächlich hätte Lukastik eine Menge zu beichten gehabt. Eine Beichte seiner groben Fehler und fatalen Fehleinschätzungen.
    Der Geistliche verabschiedete sich und ließ Lukastik in seinem Schattenraum zurück. Der Chefinspektor bewegte sich nur

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