Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische
langsam heraus, schlüpfte gewissermaßen wie aus einem Loch ins Freie und machte sich auf den Weg zu den Parkplätzen.
»Verschissen, alles verschissen«, fluchte er in sich hinein, wobei er jetzt nicht die Hitze meinte und das Honiggefühl auf seinem Körper, sondern den Umstand, mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Egon Sternbach hereingefallen zu sein. Wie es schien, hatte der Friseur gelogen. Er hatte eine Ohren-Geschichte zum besten gegeben. Eine Geschichte, die ihm Lukastik einfach abgenommen hatte, blind vertrauend auf die eigene »brillante« Menschenkenntnis. Und als sei es nicht genug, war Lukastik so verrückt gewesen, den unschuldig anmutenden Friseur zu einer Art Hilfssheriff und zu Esther Kosárys Chauffeur zu ernennen. Um dann auch noch seinen mattgoldenen Ford Mustang an den Lügenbold abzutreten.
Andererseits war es natürlich nicht gänzlich erwiesen, daß Bruder Isidor recht hatte, wenn er die absolute Unversehrtheit von Tobias Oborins Gehör behauptete, um so mehr, als nach Aussage Dr. Pauls der Tote als Träger des akustischen Gerätes nahelag. Bruder Isidor war nicht der Papst, er konnte und er durfte irren.
Isidor? Was war das überhaupt für ein Name? Lukastik beschloß, bei nächstbester Gelegenheit dieser Frage auf den Grund zu gehen.
»Fahren Sie mich zu Rolands Teich «, bat Lukastik seinen Fahrer.
Der Gendarm zögerte, meinte, daß es vielleicht besser sei, erst einmal zu Oberstleutnant Prunner zurückzukehren.
»Besser für wen?« fragte Lukastik.
»Besser für mich«, gestand der Gendarm.
»Da könnten Sie richtig liegen«, sagte Lukastik, »aber das zählt hier nicht. Fahren Sie mich jetzt zu dieser Tankstelle. Mit Blaulicht und so rasch, wie Sie das noch vertreten können. Bitte!«
Der Gendarm nickte. Nicht weniger als Prunner haßte er diese Leute, die aus Wien kamen und so taten, als wären sie die ersten gewesen, die bemerkt hatten, daß die Welt rund sei. Die Wiener hielten sich für frühe Kopernikaner. Was für ein Betrug!
11 Was für eine Erleichterung! Lukastiks Erleichterung in dem Moment, da die kantige Gestalt jenes Ford Mustangs sichtbar wurde, der die Kunst überlebt hatte und welcher ganz offensichtlich von Egon Sternbach auf dem Parkplatz vor Rolands Teich abgestellt worden war. Das war nun zwar kein Beweis für dessen Unschuld, aber doch ein gutes Zeichen, wenngleich es nicht gerade einem von Wittgenstein inspirierten Denken entsprach, sich auf »gute Zeichen« zu verlassen. Aber erstens war Lukastik alles andere als ein konsequenter Denker (ein solcher dürfte auch Wittgenstein nicht gewesen sein), und außerdem befand er sich in einer beträchtlichen Not. Der Fall drohte ihm zu entgleiten. Er verspürte eine deutliche Unsicherheit und wollte sich also gerne vorstellen, daß Bruder Isidor irrte und sich somit der Verdacht gegen Egon Sternbach als unbegründet herausstellen würde.
Lukastik stieg aus dem Wagen und wies den Gendarmen an, zu Prunner zurückzukehren.
»Was soll ich ihm sagen?« fragte die Nebenfigur.
»Nichts. Ich melde mich«, versprach Lukastik, schlug die Autotür zu und trat hinüber zu seinem Wagen, welcher unversperrt war. Der Schlüssel steckte. Lukastik zog ihn ab und atmete auf. Danach blieb er einen kurzen, ruhigen Moment unter der künstlichen Laube stehen und sah hinüber zu der Wiese, die jetzt weniger flach und sportplatzartig als in der Nacht anmutete, sondern leicht gewölbt dalag, gleich einer Woge, die im Anrollen begriffen erstarrt war.
Lukastik überlegte. Dann ging er nach drinnen. Hinter der Kasse saß noch immer Herr Roland. Saß noch immer neben seiner Brille, stumm und ein bißchen leidend. Etwa wie Rheumatiker leiden. Nichtsdestoweniger wirkte er äußerst wachsam. Zwischen den Regalen stand Frau Beduzzi und sortierte Chipspackungen, die unter ihren Händen weniger das bekannte Knistern erzeugten, denn ein piepsendes Geräusch. Man hätte meinen können, sie verteile Hamster und Meerschweinchen. Auf einen Wink Lukastiks trat sie nach vorn an die Absperrung und fragte, was los sei.
»Ist Sternbach fort?«
»Ja«, sagte Beduzzi. »Mit so einer Kleinen mit struppigen Haaren und ein paar Wurstblättern statt Fleisch an den Knochen. Ich hab die noch nie zuvor gesehen. Eigentlich nicht der Typ, auf den Sternbach steht.«
»Und wie wäre sein Typ?«
»Große, erwachsene Frauen«, verriet Beduzzi und machte ein vielsagendes Gesicht, wobei sie aus den Augenwinkeln heraus für einen Moment hinüber zu ihrem
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