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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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um auf ein Blatt Papier, das bereits dort gelegen hatte, Sternbachs Autonummer zu notieren.
    Dann holte er sein Handy hervor und rief einen seiner Mitarbeiter an, um eine Fahndung nach Egon Sternbach einleiten zu lassen. Während er seine Anweisungen gab, streng und gereizt wie selten noch, betrachtete er das Papier, auf dem er soeben das Kennzeichen vermerkt hatte. In der Mitte des Blattes war eine kleine Notiz zu lesen. Mit Hand geschrieben, wobei die einzelnen Buchstaben einen bauchigen Charakter besaßen und ein wenig an die Wiese vor dem Haus erinnerten. Die Nachricht war für ihn, Lukastik, bestimmt, eine Nachricht von Sternbach, der da schrieb:
    Wie ich schon sagte, Inspektor, ich kann einfach
    nicht nein sagen.
    Das ist eine Gabe, eine Schuld und ein Fluch.
    Sehen Sie im Bunker nach.
    Ihr Friseur
    »Er ist nicht mein Friseur. Eher die Schaufel zu meinem Grab«, murmelte Lukastik in sich hinein und überlegte einen Moment, ob er das Schriftstück an sich nehmen sollte. Allerdings war gut möglich, daß Selma Beduzzi trotz ihres Engagements für eine makellose Bettdecke den Zettel bemerkt hatte. Und erst recht bemerken würde, wenn Lukastik daranging, ihn einzustecken. Wollte sie später gegenüber Prunner oder dem Major eine diesbezügliche Bemerkung fallenlassen, wären die Folgen für Lukastik mehr als nur peinlich gewesen. Unterschlagung von Beweisstücken lag jenseits der Grenzen, innerhalb derer er sich relativ frei bewegen konnte. Ohnehin würde es ihm nun kaum mehr gelingen, seine schwerwiegende Fehleinschätzung zu vertuschen.
    »Eine Frage, Frau Beduzzi«, wandte sich Lukastik an die Tankstellenpächterin, »was könnte mit ›Bunker‹ gemeint sein?«
    »In unserer Gegend?«
    »Davon gehe ich aus.«
    »Keine hundert Meter von hier, hinter dem Wald, steht ein kleiner Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Mitten auf einem brachliegenden Feld. Er ist so mit Büschen und Hecken umwachsen, daß man vom Weg aus kaum etwas erkennt.«
    »Würden Sie mich hinführen?« fragte Lukastik, wobei seiner Stimme ausnahmsweise die Schärfe fehlte.
    »Wie? Jetzt sofort?«
    »Es wäre dringend.«
    »Na gut«, meinte Beduzzi, »Sie sind ja nicht nur ein Polizist, sondern auch Gast in diesem Haus.« Dabei öffnete sie wieder den drittobersten Knopf ihrer Bluse, den sie zuvor geschlossen hatte.
    Das klingt natürlich für alle, die nicht dabei waren, als hätte es sich um eine kokette, wenn nicht sogar frivole Geste gehandelt. Was aber nicht der Fall war. Ganz und gar nicht. Es war eine Geste der Versöhnung und des Zutrauens, die Selma Beduzzi einem jeden Mann zugestand, der ihr ein wenig sympathisch war. Es war ja auch nicht wirklich ein Ausblick auf ihren Busen, den sie solcherart freigab, sondern eine Sicht auf ihre Brustmitte und damit auf ihr Herz. Der erotische Beitrag, der vielleicht nebenbei entstand, war bloß der Strauß Blumen, in dem die eigentlich wichtige Visitenkarte steckte.
    Wenig später, nachdem Beduzzi ihrem ungebrochen stummen Mann lakonisch mitgeteilt hatte, für kurze Zeit die Tankstelle verlassen zu müssen, dirigierte sie Lukastik auf einen schmalen Pfad, der hinter dem Haus in jenen Wald hineinführte, in dem mittelhohe Tannen dicht nebeneinander standen. Hin und wieder befanden sich auch einzelne Laubbäume darunter, wie hineingequetscht, als habe hier jemand seinen kleinen Vorrat an Linden und Buchen untergestellt. Eine angenehme Kühle, trockener als jene im Kreuzgang des Stiftes Zwettl, umgab die beiden Personen.
    »Weiß Ihr Mann, wer ich bin?« fragte Lukastik, angenehm berührt von der Nähe dieser Frau, wie auch dem Gefühl, daß sich die Honigschicht von der Haut seines Rückens verflüchtigte.
    »Nein«, sagte Beduzzi. »Es bringt nichts, ihm irgend etwas zu erklären. Er hört ungerne zu. Darum wirkt er auch ein wenig stumpf. Aber er ist ein guter Kerl. Kein bißchen eifersüchtig und kein bißchen mißtrauisch.«
    »So?« wunderte sich Lukastik. »Mir kam vor, als würde er ein Argusauge auf seinen Supermarkt werfen.«
    »Der Supermarkt ist etwas anderes. Da paßt er auf. Das stimmt. Niemand wäre auch nur in der Lage, einen Kaugummi zu klauen. Roland hat ein System von Spiegeln entwickelt, das er von der Kasse aus im Blick behalten kann. Nicht, daß jemand diese Spiegel bemerken würde. Ein perfektes System. Es gibt keine toten Winkel zwischen den Regalen. Ohnehin kommt schon lange niemand mehr auf die Idee, etwas stehlen zu wollen. Die Stammgäste wissen Bescheid. Und wirklich Fremde

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