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Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische

Titel: Richard Lukastik Bd. 1 - Nervöse Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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kämpferischer Auseinandersetzungen. Weshalb er auch gar nicht erst auf die Idee kam, Waffen zu verwenden. So wie Erich Slatin ein Meeresbiologe ohne Meer war, war Lukastik ein Polizist ohne Pistole.
    Nun, ein Angriff blieb aus. Die zwei Figuren, die von einem der Lichtkegeln halb verdeckt waren, wie mit weißer Farbe durchgestrichen, rührten sich nicht. Lukastik trat die wenigen Stufen abwärts und geriet endlich in eine Position, die ihm einen ungehinderten Blick ermöglichte. Was er nun erkannte, war eines seiner beiden »Ehepaare«, nämlich ersteres: Jordan und Boehm. Die zwei waren an Händen und Beinen gefesselt und saßen auf einem betonierten Vorsprung. Ihre Münder waren von breiten, schwarzen Klebebändern verdeckt, gleich herabgerutschten Augenbalken. Wie um diesen Eindruck zu verstärken, hatten sie ihre Augen weit geöffnet. Glücklicherweise nicht in der Art von Toten. Ihre lebendige Erregung war deutlich zu erkennen. Sie schrien förmlich.
    Wenn Lukastik schon keine Schußwaffe besaß, so immerhin ein kleines Taschenmesser, dessen Schärfe freilich kaum an einen künstlichen Fingernagel heranreichte. Mit einiger Mühe durchtrennte er die Fesseln. Ohne aber zuvor das Klebeband vom jeweiligen Mund abgezogen zu haben. Das konnten die zwei selbst viel besser erledigen. Es war eine der vielen Unarten in Fernsehkrimis, befreiten Opfern ihre Mundsperren herunterzureißen, etwa wie man im Moment gehetzter Leidenschaft die Bekleidung seines Partners unwiederbringlich auftrennt.
    Als Jordan jetzt mit losgemachten Gliedern und trockenem, aber unversperrtem Mund dastand und sich die Hände rieb, war ihm deutlich anzusehen, wie sehr er mit sich kämpfte. Mit sich und seinem Groll. Nicht nur, daß er deutlich versagt hatte, war er nun auch noch gezwungen gewesen, sich ausgerechnet von Richard Lukastik befreien zu lassen. Im Grunde wäre jetzt ein Wort des Dankes angebracht gewesen, welches Jordan aber so wenig über die Lippen brachte, wie Lukastik es erwartete oder gar erhoffte. Es war dem Chefinspektor nur recht, wenn der intime Umstand dieser Rettung unkommentiert blieb. Woran sich übrigens auch Edda Boehm hielt.
    Geredet mußte aber dennoch werden. Also begann Jordan, nachdem es des Händereibens genug war, darüber zu berichten, wie er und Boehm nach zügiger Autofahrt die Tankstelle erreicht und Sternbach in seinem Zimmer aufgesucht hatten. Sternbach war vor dem Fernseher gesessen, hatte sich freundlich und auskunftsfreudig gegeben und erklärt, das Hörgerät für einen Freund besorgt zu haben. Seine Geschichte hatte gar nicht so abwegig geklungen. Der ganze Sternbach war glaubwürdig erschienen.
    »Dann aber«, sagte Jordan, und es hörte sich beinahe wie ein Vorwurf an, »hat Frau Boehm diesen Teller bemerkt.«
    »Eine Ehrengabe aus Glas«, präzisierte Boehm. »Ich war richtiggehend baff, wie ich da gelesen hab, daß unser Herr Sternbach doch allen Ernstes vor einem Jahrzehnt einen Weltrekord aufgestellt hat. Einen Weltrekord noch dazu im Tauchen. Fand ich bemerkenswert. Einmal abgesehen davon, daß man zwischen einem Haifisch und einem Sporttaucher einen gewissen Bezug herstellen kann, ist mir noch ein ganz anderer Gedanke gekommen. Das alte Problem mit dem Trommelfell. Es soll Tiefen geben, die einfach fürchterlich ungesund sind. Ich bin also näher an Sternbach ran. Wir waren ja bis dahin viel zu weit von ihm weggestanden. Also was seh ich da in einem von seinen Ohren? Zuerst gar nichts, weil sich der Kerl weggedreht hat. Deshalb hab ich ihn ganz einfach am Kinn gepackt und zu mir hergeschoben. Und da entdecke ich also so ein Ding in seinem Ohr. Klein und mit den bekannten aufgemalten Äderchen, aber eben nicht unsichtbar. Ein schmuckes Hörgerät.«
    »Das war es dann leider schon«, sagte Jordan. »Der Typ war unglaublich schnell. Er hat mir einen Schlag versetzt. Ich war augenblicklich weggetreten.«
    »Ja, es ging alles subito«, erklärte die Spurensucherin und beschrieb nun – was ja auch für Jordan neu war –, wie sie in weiterer Folge von Sternbach mit einer Waffe bedroht worden war, die er nicht minder langsam hinter seinem schneeweißen Fernsehstuhl hervorgeholt hatte.
    Hervorgezaubert müßte man sagen, wollte man nicht davon ausgehen, daß Boehm schlichtweg überfordert gewesen war. Jedenfalls hatte Sternbach den Lauf dieser Waffe in Boehms Halsmuskel gepreßt, um sie unter kühl formulierten Drohungen zu zwingen, ein Behältnis mit Chloroform aus dem Badezimmerschrank zu nehmen.

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