Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
umgebracht und in diesem See versenkt zu haben?«
    Lukastik erklärte, daß mehrere Indizien gegen Mord sprechen würden.
    »Was für Indizien?« fragte Grünberg, sichtlich erstaunt. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet.
    Ja, was für Indizien? fragte sich Lukastik. Warum war es ihm ein derartiges Bedürfnis, Dora Kolarov zusammen mit ihrem Kind entkommen zu lassen? Ganz gleich, ob sie jetzt eine Mörderin war oder nicht. War auch dies ein Ausdruck seiner Überheblichkeit gegen die Welt, gegen die Gesellschaft und ihre Gesetze?
    »Was ist mit Ihnen?« fragte Grünberg, der sich ein Stück vorgebeugt hatte und Lukastik von der Seite her wie einen Patienten musterte. Und während er ihn so betrachtete – sezierend, einen Lappen nach dem anderen lösend –, begriff Grünberg. Er schmunzelte und meinte: »Ach so ist das. Sie wollen diese Frau gar nicht verhaften.«
    »Ich halte sie für unschuldig.«
    »Sie ist hochgradig verdächtig«, erinnerte Grünberg. »Jetzt abgesehen davon, daß ein gewisser Professor Kasos einiges dafür geben würde, zu erfahren, wo sein Töchterchen sich aufhält.«
    »Jetzt versuchen Sie also doch, mich zu erpressen«, fand Lukastik.
    »Ich habe bloß meine Position gewechselt. Ich nehme mein Angebot zurück, Ihnen zu sagen, wo Frau Kolarov sich befindet. Statt dessen biete ich Ihnen an, es Ihnen nicht zu sagen. Und auch sonst niemandem. Und ich will auch gar nicht wissen, warum das so wichtig ist, diese Person davonkommen zu lassen.«
    »Es ist nicht Persönliches. Ich kenne die Frau ja gar nicht.«
    »Das können Sie mit sich selbst ausmachen«, sagte Grünberg. »Ich bin absolut zufrieden, wenn Sie sich entscheiden könnten, morgen vormittag nach Mailand zu fliegen, Straubs Wohnung im Quartiere T8 aufzusuchen und die kleine Figur an ihren Platz zurückzustellen. In dem Moment, da Sie das tun, verbanne ich den Namen Dora Kolarov aus meinem Gedächtnis. Wie auch den Namen Irene Kasos.«
    Als Lukastik jetzt antwortete, hatte seine Stimme einen feinen Riß, eine dieser Materialermüdungen, die irgendwann eine Katastrophe auslösen. Er meinte, daß selbst für den Fall, daß er tatsächlich die kleine Plastikfigur an ihren alten Platz befördere, er dennoch nicht darauf verzichten werde, die Kollegen von der Wirtschaftspolizei auf mögliche Machenschaften des Colanino-Konzerns in Hiltroff hinzuweisen.
    »Das können Sie ruhig tun«, erklärte Grünberg. »Wenn Straubs kleine Sammlung wieder komplett ist, wird es nicht weiter stören, daß ein paar unbedarfte Beamten in Dr. Pichlers Unterlagen herumstöbern. Der einzige, der dabei Schaden nehmen dürfte, ist Dr. Pichler. Ein mehr als verzichtbarer Mensch.«
    »Warum hat Colanino ihn dann ausgesucht?«
    »Genau darum, weil er verzichtbar ist. So ist das doch immer. Kennen Sie ein Unternehmen, wo es anders wäre? Kennen Sie ein Unternehmen, das es riskieren würde, jemand Unverzichtbaren an die Spitze zu stellen. Dorthin, wo der Wind weht, in dünner Lüft, bei Minusgraden. Wo es so kalt ist, daß man kaum sein Gehirn benutzen kann. Und somit das Fehlen eines solchen Gehirns eher von Vorteil ist.«
    »Sie sagen, Sie seien Bäcker. Ein zynischer Bäcker, finde ich. Weshalb sich die Frage stellt, ob es gut wäre, bei Ihnen ein Brot zu kaufen.«
    »Ja, das müssen Sie schon selbst entscheiden«, meinte Grünberg und lächelte. Mit diesem Lächeln hätte er mindestens zwanzig Löcher abdecken können. Er lächelte zu Ende und erhob sich.
    Lukastik blieb sitzen. Er sprach: »Der Killer, den Ihre Colanino-Leute geschickt haben, war eine Niete.«
    »Ich sagte schon, ich weiß nichts von einem Killer«, antwortete Grünberg, setzte ein kleine Pause und fügte an: »Aber grundsätzlich kann man feststellen, daß für Killer natürlich dasselbe gilt wie für Unternehmungsführungen: Die Niete ist nie ein Zufall.«
    Na, da hatte er wohl recht.
    »Noch eine Frage«, hielt Lukastik den Anwalt zurück.
    »Ja?«
    »Ich habe die kleine Figur, um die es geht, hier in meiner Tasche. Ich könnte sie Ihnen gleich geben. Oder ist das so wichtig, daß ich das Ding selbst zurückbringe?«
    »Nicht in einem praktischen Sinn und nicht einem mystischen«, erklärte Grünberg. »Aber in einem moralischen. Sie haben eine Lücke eigenhändig geschaffen, Sie müssen sie auch eigenhändig wieder schließen. Es ist wie bei einer Strafe. Ein Verurteilter muß selbst ins Gefängnis und kann nicht jemand anders schicken.«
    Das war ein Vergleich, der ziemlich hinkte,

Weitere Kostenlose Bücher