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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Gang hin und bestellte zwei Fläschchen Rotwein.
    Der junge Flugbegleiter schenkte ein. Lukastik dachte an ein Bild im Kunsthistorischen Museum, an den hübschen David, der sein Schwert über der Schulter trägt, in der anderen Hand Goliaths abgeschlagenen Schädel. – Nun, man saß in einer Alitaliamaschine und ein Caravaggiovergleich konnte einem schon passieren.
    David zog weiter mit seinem messerscharfen Servierwägelchen.
    »Ich liebe dich«, sagte Lukastik, als er sein Glas gegen das Alexas stieß. Jetzt war er der erste.
    Folgerichtig schwieg Alexa. Sie schloß nur kurz die Augen. Und als sie sie wieder öffnete, lag eine Antwort in ihnen. Eine gute Antwort. In der Art von Medizin, die schmeckt. Süßer Hustensaft.
    Es war eine wunderbare Situation. Oder hätte zumindest eine solche sein können, wenn jetzt nicht Lukastiks Blick auf den eigenen Arm gefallen wäre, nicht den, der das Glas hielt, sondern auf den anderen, den linken, der auf der Lehne ruhte. Zuerst wußte Lukastik gar nicht, was eigentlich los war, was ihn derart irritierte. Er meinte zunächst einen eigentümlichen Schatten zu bemerken. Dann aber schaute er genau hin, veränderte auch etwas die Position der Gliedmaße, hob die Hand leicht an und bewegte Zeigefinger und Daumen, nur um festzustellen, daß sich alles wie gewohnt anfühlte. Trotzdem aber anders aussah. Kein Irrtum möglich. Der Arm, der unter dem aufgekrempelten Ärmel des rot und schwarz karierten Hemds hervortrat, war nicht der, den Lukastik als seinen eigenen hätte durchgehen lassen können. Wobei die Veränderung nicht eklatant war. Es war nicht plötzlich der Körperteil eines Schwergewichtsboxers oder eines Magersüchtigen zu sehen. Nein, der Arm war nur ein wenig kräftiger, ein wenig behaarter, die Haut ein wenig dunkler, unmerklich, aber nicht unmerklich genug, als daß Lukastik es hätte übersehen können. Er hatte ja auch nicht etwa den Eindruck einer schlecht gemalten Fälschung. Das hier war keine Fälschung, es war ganz einfach ein fremder Arm. Ein fremder Arm, der sich aber nicht fremd anfühlte und wie selbstverständlich an Lukastiks Rumpf hing.
    Lukastik schloß die Augen. Als er sie wieder öffnete, war der Eindruck des Fremden ungebrochen. Er blickte kurz auf seine rechte Seite, verglich. Ja, das waren die Arme zweier verschiedener Männer. Und jedem Betrachter, den man darauf hingewiesen hätte, wäre dies aufgefallen, wäre er nur konzentriert genug gewesen. Auf die Schnelle freilich – quasi im Vorbeisehen – konnte man eher meinen, es bloß mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu tun zu haben, vielleicht einer optischen Täuschung zu erliegen, vielleicht…
    Lukastik krempelte die beiden Ärmel herunter und knöpfte sie zu, sodaß nur noch die Hände das Mysterium offenbarten. Ein Mysterium, an das Lukastik so wenig glauben wollte, wie er an virusartig auftretende Löcher in Zimmerwänden glaubte. Doch worin bestand im Falle seiner Arme denn die Alternative? Was sollte er statt dessen vermuten? Daß mit seinem Hirn etwas nicht Ordnung war? Daß er den Verstand verlor?
    Lieber ein fremder Arm als ein fremder Kopf. Lieber eine kranke Hand als ein krankes Hirn. Außerdem war es wahrscheinlich so, daß fast alle Menschen zwei verschiedene Arme besaßen, welche symbolhaft für die Unvereinbarkeit der Gefühle standen. Und man in bestimmten Phasen den einen Arm für den richtigen hielt, dann wieder den anderen.
    Jedenfalls verbot es sich Lukastik, fortgesetzt auf seine Hand zu lugen, verbot es sich, auf die Toilette zu rennen und in der Art eines Hypochonders seinen Körper auf weitere Ungereimtheiten zu überprüfen. Er verbot sich eine ganze Menge. Statt dessen sah er hinüber zu Alexa, die vollkommen unverändert war. Und die sein großes Glück bedeutete.
    »Was ist mir dir?« fragte sie auf eine zärtliche Weise, dennoch ohne den Vorwurf, den fast jede Zärtlichkeit begleitet.
    »Ich fliege nicht so gerne«, wich er aus. »Das weißt du ja.«
    »Na, dann komm her«, sagte sie und drückte seine Hand.
    Seine bessere Hand, wie er zufrieden feststellte.
    Das war ein Gedanke, der ihm noch öfters durch den Kopf gehen sollte, daß man nämlich durchaus in der Lage war, sich auf eine Hand zu beschränken und die andere rigoros aus allem herauszuhalten. Daß man so tun konnte, als sei man eben einarmig. Selbst die Autofahrerei war einhändig zu bewerkstelligen, die Liebe sowieso, von Dingen wie Philosophie und Kriminologie ganz zu schweigen. Bloß die

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