Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Marmortisch seiner selbst hinter sich lassend –, nickte Lukastik zu, stieg ein und verschwand.
    »Mafioso«, sagte Alexa, als er weg war.
    »Findest du?«
    »Von der Art her. Das sind so Leute, die meinen, alles zu dürfen, also auch großzügig sein und höflich sein. Leute, die mit der gleichen Nonchalance jemand abstechen wie sie einem Kind über das Haar streichen. Kotzbrocken! Wenn solche Männer nicht wären, wäre die Welt eine bessere.«
    »Ich weiß nicht…« Lukastik benutzte den Schlüssel, den ihm Longhi gegeben hatte, und öffnete die Fahrertüre des Wagens. Er sah ins Innere. Was für ein Anblick! Ein Cockpit, das einem noch das Gefühl gab, sich in einem Fahrzeug und nicht in einem Spielzeugkoffer zu befinden. Sitze und Tapezierung in rotbraunem Alcantara. Zudem war es erstaunlich kühl, als wirke die Präsenz Longhis fortgesetzt nach.
    »Laß mich fahren«, sagte Alexa.
    »Gerne«, antwortete Lukastik, alles andere als ein Meister der Orientierung.
    Wenn jemand auf dieser Welt es halbwegs versteht, ein Auto vernünftig zu steuern, dann sind es sowieso die Frauen. Nicht alle, das ist klar. Einige bemühen sich, die Vorurteile der Männer zu bestätigen, und tun so, als würden sie sich während des Fahrens selbst hypnotisieren. Oder wenigstens versuchen sie, die Parklücken zu hypnotisieren. Aber prinzipiell haben Frauen das richtige Verhältnis zu Autos. Sie akzeptieren, daß es besser ist, einer Maschine höflich zu begegnen, anstatt sie beherrschen zu wollen. Sie akzeptieren eine notwendige Distanz zur Maschine. Bei Männern ist das anders. Man muß es so hart ausdrücken: Männer glauben, sie könnten ihre Autos ficken. Was kein Wagen sich wirklich gefallen läßt. Darum ist der Verkehr genau so, wie er ist. Und da ist nun Mailand wahrlich keine Ausnahme.
    Alexa Lukastik lenkte den Wagen mit Übersicht und Ruhe durch die Stadt und folgte den Anweisungen der sonoren Navigatorstimme hinüber in das angegebene Viertel. In einer kleinen Straße lag das Hotel, das sich Lukastik ausgesucht hatte, weil es sich in vernünftiger Entfernung von Straubs Wohnung im Quartiere T8 befand. Aber auch ein wenig wegen des sonderbaren Namens, den das Hotel trug: A Longer Finnegans Wake .
    Was sollte das bedeuten? Gut, es war eine Anspielung auf das Buch von James Joyce. Aber was hatte das »longer« zu bedeuten? Lukastik, der ja ein überaus elitärer Polizist war und gerne seine Bildung im Gefecht mit Kollegen und Vorgesetzten zum Einsatz brachte, wußte, daß eine von Anthony Burgess herausgegebene Kurzversion des Jahrhundertbuches existierte, A Shorter Finnegans Wake . Ein sehr löbliches Unterfangen, da ja manche Bücher auf ein vernünftiges Maß heruntergestutzt gehören. Solcherart eine Form erhalten, die in einen einzelnen Durchschnittskopf hineinpaßt. Ein Kopfbuch bildend. Man könnte auch von einem Everybodys Finnegans Wake sprechen. Wie aber mußte man sich die Ausweitung dieses Buches vorstellen? Das hörte sich an, als wollte jemand eine sehr lange Strecke ausgerechnet dadurch bezwingen wollen, daß er einen Umweg ging.
    Auf den ersten Blick hatte das Hotel nichts Irisches oder Literarisches an sich und erinnerte auch in keiner Weise an die Verlängerung von irgend etwas. Es besaß weder den staubigen Charme der Pension Leda noch jenen mysteriösen Hauch, der sich im Hotel Hiltroff mittels plötzlicher Wasserpfützen materialisiert hatte. Es war ein simples Hotel der Mittelklasse. Es als sauber zu bezeichnen, hätte nicht gestimmt, es war vielmehr nicht schmutzig . Und das ist ein Unterschied wie zwischen mutig und nicht feig .
    Jedenfalls hatten die Lukastiks auch hier ein Zimmer, das nach hinten hinaus führte, auf einen kleinen Hof, der nicht nur einfach begrünt war, sondern über einen regelrechten Dschungel verfügte. Einen quadratischen, wenig mehr als fünfzehn Quadratmeter messenden, zwischen vier Häuserwände eingesperrten Miniaturwald, dicht und verwachsen. Ein pures Stück Natur. Nichts, was einen zu interessieren brauchte.
    Das tat es auch nicht. Lukastik öffnete das Fenster, zog aber die orangebraunen Gardinen vor. Die beiden Liebenden begaben sich augenblicklich ins Bett, also an einen Ort, der nicht zu Unrecht als fundamental gilt.
    Das Bett ist die Welt. Außerhalb des Bettes ist der Weltraum.
    Es war später Nachmittag, als Lukastik seine schlafende Geliebte auf den Nacken küßte, aus dem Laken glitt und hinaus in die öde Weite des Alls trat.

20
    Er nahm den Wagen, für den

Weitere Kostenlose Bücher