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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Ein gesundes Mädchen, wie gerne gesagt wird: Clara.
    Und Clara wurde nun zum eigentlichen Glück Olanders. Zu seiner eigenen Überraschung, weil er Kinder bis dahin eher für ein notwendiges Übel gehalten hatte. Notwendig bezüglich Fortpflanzung. Und ein Übel für alle. Auch für die Kinder selbst, die da also in ihrer unvollkommenen Kinderhaut stecken wie in einem viel zu engen Engerlingskleid, ein unbequemes Larvenstadium nach dem anderen absolvierend, dauernd krank, dauernd angeschlagen, launisch bis zum Gehtnichtmehr, sich und ihre Umwelt terrorisierend, parasitär lebend, an der Entwicklung der Sprache nur darum interessiert, um die Quengelei auf eine rhetorische Spitze zu treiben. Die Nerven der anderen und die eigenen tötend.
    Olander hatte die Kinder seiner Freunde zur Genüge erlebt, doch offensichtlich hatte er eben nur die dunkle Seite der Kindermacht wahrgenommen. Oder aber diese Süßis waren tatsächlich durch und durch Monster gewesen, blutsaugende Nymphen und fallenstellende Kaulquappen. Nicht so Clara. Ohne daß deshalb gleich von einem Wunder gesprochen werden mußte. Denn Clara hatte nicht etwa von Anfang an durchgeschlafen. Auch sie war mit Bauchblähungen und wechselnden Stimmungen ins Leben getreten, mit dem Zorn, der sich daraus ergab, das Aufrechtgehen mit Hilfe eines Körpers bewerkstelligen zu müssen, der sich dafür in keiner Weise zu eignen schien. (Auf diesen Kleinkinderbeinen steht man wie auf einem wackeligen O. Das ist ein Ärgernis, das erst einmal ausgehalten werden muß. Die Ungeduld der Kinder verschränkt sich mit der Ungeduld der Eltern. Die Psychen aber prallen aufeinander wie unvorteilhaft große Hörner. Der Mensch ist, um es auf den Punkt zu bringen, schlichtweg unpraktisch.)
    Diesem Unpraktischen zum Trotz wurde Clara ein fröhliches Kind. Es fehlte ihr der Mörderblick, der so vielen Kindern anhaftet. Nicht, daß Clara es nicht auch unternahm, das eine oder andere Insekt zu töten. Aber sie bezog daraus keine Freude, keinen Gewinn, und ließ es darum in der Folge bleiben. Brauchte somit nicht zu größeren Tieren zu wechseln, um die Freude noch zu steigern. Sie war wohl das, was die Leute als ein typisches Mädchen bezeichnen. – Wäre es doch nur so, daß alle Mädchen, denen der Mörderblick fehlt, typisch wären. In Wirklichkeit sind sie die Ausnahme.
    Natürlich war Olander in seine kleine Prinzessin verliebt und sah sie mit rosaroten Brillen. Doch er war klug genug, auch die rosaroten Brillen zu bemerken, durch die er schaute. Zudem war Clara tatsächlich ein liebevolles Wesen, nicht pflegeleicht, das ist etwas anderes. Sie war keine Fallenstellerin, sondern eine Fragenstellerin. Selbst das konnte natürlich anstrengend sein, dieses ständige Nachhaken, als seien Erwachsene zur Allwissenheit verpflichtet. Auch nützt es ja nichts, einem Kind zu erklären, man wüßte die Antwort nicht. Diese Anti-Antwort wird von den Kleinen nicht akzeptiert.
    Warum stirbt man? – Weil man alt wird.
    Warum wird man alt? – Weil man sich nicht erneuern kann.
    Warum kann man sich nicht erneuern? – Ich weiß es nicht, mein Schatz.
    Warum weißt du das nicht? – Ich weiß es nicht.
    Warum? – Ich…
    Und dennoch. Clara besaß einen Tonfall, welcher ihren Vater so vollkommen für sie einnahm. Wie auch ihr Gesichtsausdruck. Selbst wenn Clara nervte, nervte sie eben auf eine herzliche Weise. In ihrem Blick lag ein kleiner Polster, der alles dämpfte. Ihre Stimme bestand aus Wellen, die sachte auf den Strand auftrafen. Natürlich brüllte sie hin und wieder, nie aber stampfte sie auf. Es fehlte ihr der Wille, die Welt auszulöschen. Und das ist wirklich selten bei Kindern.
    Da Olander neben seinen Geschäften über jede Menge Zeit verfügte – wie eigentlich die meisten Geschäftsleute, wenn sie einmal bereit sind, ihr Termintheater zu versachlichen –, widmete er sich oft seinem Kind. Ohne darum gleich wie ein Menschenrechtler oder Totalverweigerer daherzukommen. Olander trug zu jeder Zeit und zu jedem Zweck bunt gestreifte Seidenhemden und helle, getreidegelbe bis sandfarbene Leinenanzüge, die immer ein wenig verknittert sein mußten, wie unter dem Einfluß wechselnden Wetters. Und er trug eine goldene Patek Philippe, die er nicht herunternahm, nur weil er mit Clara in der Sandkiste saß und ihr half, Tunnels zu graben. Auch vermied er es, sich anzubiedern. Andere Eltern interessierten ihn nicht, ihre dämlichen Ansichten zu allem möglichen. Aus irgendwelchen Gründen

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