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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Taxifahrer war zu schnell unterwegs. Das war dumm. Und daß eben alles zusammenkommt, alles im Bruchteil einer Sekunde. Meistens geht so was ja gut aus. Aber damit es so oft gut ausgehen kann, muß es hin und wieder auch mal schlecht ausgehen. Das Schicksal kennt da kein Pardon.«
    »Nicht nur das Schicksal nicht«, behauptete Olander.
    »Wie soll ich das verstehen?«
    »Kannten Sie den Taxifahrer?«
    »Wie kommen Sie drauf?«
    »Nein, Sie kannten ihn nicht, natürlich nicht. Dafür aber kannten Sie den Wagen, das Taxi.«
    »Ich verstehe noch immer nicht.« Albizzi machte ein Gesicht, als sei er in einen Schwarm von Mücken geraten.
    »Nicht der Taxifahrer war zu schnell unterwegs, sondern Sie. Sie wußten, welchen Wagen Sie abschießen müssen.«
    Albizzi formte große Augen in seinem Gesicht und sagte: »Sind Sie verrückt?«
    »Ein bißchen bin ich das. Wenn man nach seinem Kind sucht, bleibt man nicht normal. Man wird geradezu gefährlich.«
    »Sie gehören zum Arzt gebracht. Oder zur Polizei«, meinte Albizzi.
    »Schon gut«, sagte Olander. »Mir ist klar, daß Sie nicht ahnen konnten, daß hinten im Wagen ein Kind sitzt. Sagen Sie mir aber eins: Hätten Sie das Taxi gerammt, wenn Sie es gewußt hätten?«
    »Ich muß mir das nicht anhören.«
    »Ich denke schon, daß Sie das müssen. Sie werden mich nicht so einfach loswerden. Sie müssen mich schon kaltmachen, wenn Sie Ihre Ruhe haben wollen.«
    »Kaltmachen? Was sind das für Ideen?«
    »Stimmt. Sie sind kein richtiger Killer. Sie steigen nur einfach aufs Gas. Sie sind kein Scharfschütze, bloß ein vermeintlich schlechter Autofahrer.«
    »Ich beende dieses Gespräch«, sagte Albizzi, legte einen Geldschein auf den Tresen und rutschte von seinem Hocker.
    »Wenn Sie mir einen kleinen Tip geben«, köderte Olander, »werde ich Sie in Frieden lassen. Einen Namen, eine Straße, eine Telefonnummer, etwas, mit dem ich weiterarbeiten kann. Niemand muß erfahren, daß ich es von Ihnen weiß. Niemand muß erfahren, daß wir beide miteinander gesprochen haben.«
    »Ach!? Und Longhi?« erinnerte Albizzi im Gehen an den Kriminalpolizisten, der dieses Gespräch praktisch vermittelt hatte.
    »Gehört Longhi denn zu diesen Leuten?« fragte Olander, verließ ebenfalls seinen Sitz und lief hinter Albizzi her.
    »Wenn die Polizei etwas weiß, weiß es bald die ganze Welt«, proklamierte Albizzi.
    Das war natürlich übertrieben. Aber es gab leidgeprüfte Menschen, die hätten diese Übertreibung dreimal unterschrieben.
     
    Die beiden Männer, der eine hinter dem anderen, verließen das Lokal. Auf der Straße drehte sich Albizzi um und sagte: »Ich möchte gerne darauf verzichten. Aber wenn Sie mir weiter folgen, schlage ich Sie zusammen.«
    Olander betrachtete die kräftigen Hände, gewaltige Brötchen. »Und Sie meinen, Sie könnten sich auf diese Weise retten? Indem Sie mir mit dem Zusammenschlagen drohen. Mir, einem Mann, der durchs Feuer gehen würde, um sein Kind zu finden.«
    Albizzi sagte nichts. Er marschierte einfach die Straße hinunter, wandte sich noch mehrmals um, setzte seinen Weg fort.
    Olander überlegte. Was brachte es, durchs Feuer zu gehen, wenn man darin umkam? Er trat zurück in das Lokal, nahm wieder seinen Platz ein, winkte dem Mann hinter der Theke und verlangte ein Telefonverzeichnis. Der Wirt rührte sich nicht und blickte Olander stumm an.
    »Sie kennen Herrn Albizzi, nicht wahr? Ich brauche seine Adresse. Es ist wichtig.« Olander hatte laut gesprochen, laut sprechen müssen, damit der Wirt ihn auch verstand. Was dazu führte, daß sämtliche an der Bar sitzenden Männer jetzt zu ihm herübersahen.
    Der Wirt machte nun doch einen Schritt in Richtung Olander und erklärte in einem ruhigen, kalten Ton: »Ich gebe Ihnen zehn Sekunden, um das Lokal zu verlassen.«
    »Sie schützen den Falschen«, sagte Olander.
    Der Wirt nickte, als wäre dies sowieso das unbedingte Los von Kneipiers, immer die Falschen zu schützen. Mit einer nachlässigen Geste wies er zur Türe. Olander ging.
    Draußen blieb er eine Weile im vom Neonlicht aufgewärmten Dunkel stehen. Was ihm jetzt fehlte, war eine Telefonzelle und darin ein Telefonbuch. Aber nach beiden Richtungen standen bloß geparkte Wagen, darunter sein eigener. Natürlich, morgen war auch noch ein Tag. Aber dieses Morgen schien fern. Die Zeit machte auf Olander einen gedehnten Eindruck, wie in einem Buch, wenn Hunderte von Seiten wenige Stunden beschrieben. Er verspürte eine Literarisierung der Zeit. Die

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