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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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speziellere Sache. Die kleinen Figuren stammten aus einer Art Überraschungsei für Erwachsene. Etwas größer und um einiges schwerer als die bekannten U-Eier oder Sorpresas für Kinder. Dickwandige Schokoladehohlkörper, die mit Orangenlikör gefüllt waren. In der zähflüssigen Spirituose schwamm dann jeweils so ein Äffchen. Wie sich herausstellte, besaßen diese Figuren eine Art Kultstatus. Sicher nicht wegen der Qualität des Likörs, in dem sie wie konservierte Kadaver einlagen. Aber die Erzeuger waren so klug gewesen – ohne dies je offiziell zugegeben zu haben –, die unterschiedlichen Figuren dieser Serie in sehr unterschiedlichen Stückzahlen in die Eier und damit auf den Markt zu bringen. So existierten etwa eine Unmenge von lesenden Affen und telefonierenden Affen und Fußbälle balancierenden Affen, aber nur wenige Affen auf einem Einrad. Und noch weniger mit einem Blumentopf unter dem Arm. Wie sich das mit dem Modell »Affe als Giraffe« verhielt, war natürlich eine interessante Frage. Aber eine, die zunächst niemand beantworten konnte oder wollte. Hingegen war sich der Sprecher des Colanino-Konzerns, welcher telefonisch Auskunft gab, absolut sicher darüber, daß selbstverständlich niemals Figuren produziert worden seien, die irgendwelche anstößigen Handlungen zur Schau stellen würden. Also sicher keine onanierenden oder rauchenden Primaten. »Ich selbst«, meinte der Sprecher, »wenn Sie mir diese Bemerkung erlauben, finde bereits einen in einem Buch lesenden Affen hart an der Grenze.« Jedenfalls stünde es außer Frage, daß es sich bei Figuren, die irgend etwas Widernatürliches illustrieren würden, um Fälschungen handeln müsse. Und sobald Colanino über nähere Informationen verfüge, werde man eine Klage einreichen, zur Not auch gegen Unbekannt. Im übrigen könne das Unternehmen derzeit keine weiteren Auskünfte geben.
    Was sich nun auch ohne die Hilfe des Konzernsprechers leicht eruieren ließ, war, daß sich am Rande von Hiltroff – in entgegengesetzter Richtung zum POW! – eine recht umfangreiche Fabrikanlage befand, in welcher in den neunzehnsiebziger und neunzehnachtziger Jahren Kunststofftüten hergestellt worden waren, bevor dann der Betrieb geschlossen wurde und das Objekt viele Jahre leergestanden hatte. Irgendwie hatten es die Hiltroffer aber geschafft, daß die Colanino-Gruppe die nicht unerhebliche Produktion ihrer Plastikfigürchen an das österreichische Nest vergeben hatte. Nicht jedoch die Herstellung der Schokolade beziehungsweise die Füllung dieser Schokolade mit einem aus Istrien stammenden Likör. Somit auch nicht die Verpackung der Eier, die von einer bedruckten Alufolie umgeben waren, auf der man einen stark behaarten Primaten mit Sonnenbrille sah. Offenkundig hielt man bei Colanino rauchende Affen für widernatürlich, Sonnenbrillen tragende aber nicht.
    »Erstaunlich«, fand Lukastik, als er wenig später bei Longhi im Büro saß, »daß die Colanino-Leute eine solche Fabrikation nicht in irgendein Billiglohnland auslagern, sondern ausgerechnet ein kleines österreichisches Dorf auswählen, wo zweimal am Tag der Bus fährt. Der Schulbus wohlgemerkt.«
    »So was kommt schon mal vor«, meinte Longhi. »Ich glaube nicht, daß wir deshalb die Wirtschaftspolizei einzuschalten brauchen. So wenig wie uns diese Spielzeugsachen interessieren müssen. Da hat sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt, sich seine eigenen Colaninoaffen gegossen. Was soll das bitte schön mit einer toten Frau in einem kalten See zu tun haben? Sie verrennen sich, Kollege. Aber das ist natürlich Ihr gutes Recht. Zumindest, wenn Ihre Vorgesetzten nichts dagegen haben.«
    »Ich habe meine Vorgesetzten im Griff«, verkündete Lukastik, um sodann die Frage nach jenen Herrschaften und Seilschaften zu stellen, die hinter dem Colanino-Konzern stehen würden.
    »Was für Herrschaften denn?« fragte Longhi. Und erklärte: »Da ist niemand, der auffällt. Niemand, der die Welt zu erobern versucht. Da ist kein Berlusconi zu entdecken. Kein kleiner Duce, kein Pate. Gruppo Colanino ist ein Zusammenschluß von Firmen, die nichts anderes wollen, als Geld verdienen. Dazu braucht man heutzutage keine Regierungen zu kaufen und die Menschen klein zu halten. Die Menschen halten sich selbst klein.«
    »Warum gibt’s dann überhaupt noch Berlusconis?«
    »Weil es netter aussieht. Wir brauchen sichtbare Bösewichte. Wir brauchen Dr. Nos und Blofelds. Wir wollen ein Bild des Bösen. Nicht ein paar

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