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Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit

Titel: Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Borchmeyer
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eine attraktive junge Frau – deren Schönheit von Augenzeugen oft beschrieben worden ist – und beliebte Bühnendarstellerin, die dem angehenden Komponisten an Weltgewandtheit weit überlegen ist. Sie lebt mit einer unehelichen Tochter namens Natalie zusammen, die sie stets als ihre Schwester ausgibt. Die Magdeburger Jahre 1834–36 sind aufgrund der wirtschaftlichen Misere des Theaters eine Serie von desillusionierenden Erfahrungen für Wagner, gipfelnd im künstlerischen und fi nanziellen Fiasko der Uraufführung des Liebesverbots am 29. März 1836.
    Nach dem unrühmlichen Ende der Magdeburger Zeit folgt Wagner Minna im Juli 1836 nach Königsberg, wo sie inzwischen ein neues Engagement gefunden hat. Trotz der desolaten Lage des arbeitslosen Komponisten, der sie stürmisch umwirbt, und der vorübergehenden erotischen Konkurrenz eines Königsberger Kaufmanns – typische Theaterwirtschaft, wie wir sie aus der Mariane-Episode in Goethes Wilhelm Meister kennen – heiratet Minna Wagner am 24. November 1836. Die Beziehung ist von Anfang an krisenreich, von überdrehten Launen und Leidenschaften auf beiden Seiten aufgewühlt. Bereits nach einem halben Jahr droht die Ehe auseinanderzubrechen. Minna fl üchtet sich in ein Liebesverhältnis wiederum mit einem Kaufmann und brennt mit ihm durch. Wagner reist ihr vergeblich nach. Schon jetzt erwägt er die Scheidung (zu der es nie förmlich kommen wird, obwohl sich das Paar 1859 endgültig trennt).
    Abb. 5 : Minna Wagner (geb. Planer; 1809–1866), Richard Wagners erste Ehefrau

    Im April 1837 wird Wagner Musikdirektor am Königsberger Theater, das freilich wenig später Bankrott macht. Der von Schulden geplagte Wagner fi ndet im Juli 1837 eine neue Anstellung als Dirigent am Theater in Riga, die man ihm 1839 auf intrigante Weise wieder entzieht. Im Oktober 1837 kommt es zur Versöhnung mit Minna, die nun endgültig auf ihre Bühnenlaufbahn verzichtet. Diesen Verzicht hat sie später nach der tiefen Entfremdung zwischen ihr und Wagner infolge seiner Beteiligung an der Revolution und des in ihren Augen leichtfertigen Verlusts seiner Position am Dresdener Opernhaus dem undankbaren Gatten als Lebens- und Liebesopfer nachdrücklich vorgehalten. In einem Brief, den sie ihm 1850 ins Schweizer Exil schickt, resümiert sie bitter: »Wer warst Du denn, als ich Dich heiratete? Du warst ein armer, verlassener, unbekannter, unangestellter Musikdirektor, und was standen mir damals für Aussichten bevor! Mein ganzes Tun und Scha ff en in unserer Häuslichkeit war ja nur, es Dir recht zu machen, Dir zu gefallen, und so von frühester Zeit an tat ich ja alles aus Liebe, sogar meine Selbständigkeit, die ich so hoch hielt, gab ich freudig auf, um Dir ganz angehören zu können.«
    Nach dem Verlust seiner Stellung in Riga entschließt sich der hochverschuldete, von seinen Gläubigern in Königsberg und Riga verfolgte Wagner während des Sommergastspiels des Rigaer Theaters in Mitau zur heimlichen Flucht mit Minna. Das Ziel ist Paris, die »Hauptstadt des 19. Jahrhunderts«, wie Walter Benjamin sie getauft hat, vor allem aber die Metropole des Musiktheaters, ja geradezu der Magnetberg, zu dem es alle großen Opernkomponisten des Jahrhunderts unwiderstehlich hinzieht. Selbst und gerade die bedeutendsten italienischen Meister Rossini, Donizetti, Bellini und Verdi suchen in Paris nach europäischer Anerkennung, schreiben Werke für die Pariser Oper.
    Auf der Flucht stürzt der Leiterwagen in der Nähe von Königsberg mitsamt den Flüchtenden um. Minna erleidet dabei anscheinend eine Fehlgeburt und innere Verletzungen, die sie o ff enbar für immer gebärunfähig machen. Trotz des Unfalls wird die Flucht alsbald fortgesetzt. Die abenteuerliche Meerfahrt durch die nordischen Gewässer zunächst nach England, an Bord des kleinen, kaum seetüchtigen Seglers »Thetis« mit siebenköp fi ger Besatzung und dem riesigen Neufundländer Robber, von heftigen Stürmen immer wieder tödlich bedroht, hat Wagner in Mein Leben literarisch meisterhaft beschrieben. Der Sturm im Skagerrak, das Echo der sich an den Granitklippen der norwegischen Südküste brechenden Seemannsrufe, die Sagenerzählungen der Matrosen haben ihre atmosphärische und musikalische Wirkung auf den in Paris entstehenden Fliegenden Holländer nicht verfehlt. Am 12. August 1839 tre ff en Richard und Minna zunächst in London ein. Nach einwöchigem Aufenthalt reisen sie im Dampfschi ff nach Boulogne-sur-Mer, wo Wagner die Bekanntschaft

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