Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
Vom Netzwerk:
verzeichnete Betrag ist die Kommission, die diese Mädchen an den Herbergswirt abzuführen hatten.«
    »Ich verstehe. Gut, der Akademiker schlief in seiner ersten Nacht am Ort, es war der 19. mit einem Mädchen namens Pfingstrose. In den beiden folgenden Nächten hatte er Jadeblume bei sich, und die Nächte vom 22. und 23. verbrachte er mit einer Rote Nelke genannten Frau. Er starb in der Nacht des 25.«
    »Diese eine verbummelte Nacht brachte ihm Unheil!« sagte Ma Jung mit traurigem Lächeln.
    Der Richter überhörte die Bemerkung. Nachdenklich fuhr er fort:
    »Merkwürdig, daß der Name von Herbstmond nicht im Buch erscheint.«
    »Es gibt ja auch Nachmittage! Manche Männer trinken ihren Mittagstee auf recht eigenartige Weise!«
    Richter Di klappte das Buch zu. Er ließ seine Blicke durch das Zimmer wandern. Dann stand er auf und ging hinüber ans Fenster. Nachdem er die dicken Eisenstangen befühlt und den festen Fensterrahmen geprüft hatte, bemerkte er:
    »An diesem Fenster ist nichts auszusetzen; kein menschliches Wesen konnte sich hier durchzwängen und ins Zimmer gelangen. Auch jeden anderen Hokuspokus können wir bei diesem Fenster ausschließen, lag sie doch zehn Fuß entfernt von ihm; sie fiel auf den Rücken, als sie mit dem Gesicht zur Tür stand, nicht zum Fenster. Ihr Kopf war leicht nach links gedreht, zum Bett hin.« Entmutigt wiegte er den Kopf hin und her und faßte dann zusammen: »Du gehst jetzt besser und legst dich zur Ruhe, Ma Jung. Morgen früh beim Morgengrauen möchte ich, daß du am Landungssteg bist. Versuche den Schiffer von Feng Dais Dschunke ausfindig zu machen, und laß dir von ihm alles über den Zusammenstoß der beiden Boote erzählen. Forsche ihn auch vorsichtig über die Zusammenkunft des Akademikers mit dem Händler Wen aus, die deine Kürbisfreunde beobachtet haben wollen. Ich will die Bettstelle nochmals untersuchen und dann auch schlafen gehen. Morgen wird es einen lebhaften Tag geben.«
    »Ihr wollt doch nicht etwa in diesem Zimmer schlafen, Herr?«
    »Natürlich will ich!« antwortete der Richter mürrisch. »Das bietet mir Gelegenheit, herauszufinden, ob hier irgend etwas Unrechtes vor sich geht. Du kannst jetzt gehen und dir ein Quartier suchen. Gute Nacht!«
    Einen Augenblick lang dachte Ma Jung an Widerspruch. Als er aber Richter Dis entschlossene Miene sah, wußte er, daß jeder Einwand nutzlos war. Er verbeugte sich und verschwand.
    Der Richter stellte sich vor der Bettstatt auf, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Er bemerkte einige Falten in der dünnen Seidendecke, die über die Bettmatte gebreitet war. Er betastete sie mit der Fingerspitze und fand, daß die Falten ein wenig feucht waren. Er beugte sich nieder und roch am Kissen. Derselbe Moschusduft kam ihm entgegen, der aus dem Haar der Kurtisane aufgestiegen war, als sie beim heutigen Festmahl dicht neben ihm gesessen hatte.
    Die erste Phase zu rekonstruieren, war unschwer. Sie hatte den Roten Pavillon über die Veranda betreten, wahrscheinlich nach einem kurzen Besuch ihres eigenen Pavillons. Sie mochte beabsichtigt haben, ihn im Wohnzimmer zu erwarten, doch als sie entdeckte, daß der Schlüssel im Schloß des Roten Zimmers steckte, kam ihr die Idee, daß es weit effektvoller wäre, wenn sie ihn dort erwartete. Sie trank eine Schale Tee, zog ihr Überkleid aus, faltete es zusammen und legte es auf einen Stuhl. Nachdem sie sich nackt ausgezogen hatte, legte sie ihre Unterwäsche neben das Kissen aufs Bett. Auf dem Bettrand sitzend, entledigte sie sich ihrer Schuhe und stellte sie ordentlich auf den Boden. Endlich legte sie sich hin und wartete, bis sie sein Klopfen hören würde. Sie mußte längere Zeit so gelegen haben, was aus den Falten in der Seidendecke zu schließen war, die durch ihren von der Hitze feuchten Rücken entstanden waren. Was nachher geschah, konnte er nicht einmal ahnen. Ein Ereignis mußte eingetreten sein, das sie zum Verlassen des Bettes zwang. In aller Ruhe tat sie das, denn wenn sie in Hast und Eile aus dem Bett gesprungen wäre, hätte sie das Kissen und die Decke in Unordnung gebracht. Sobald sie aufrecht vor dem Bett stand, war das Schreckliche geschehen. Kalte Schauer überliefen ihn unwillkürlich, wenn er sich den Ausdruck höchsten Schreckens auf dem verzerrten Gesicht der Frau in die Erinnerung zurückrief.
    Er schob das Kissen beiseite und zog die Seidendecke fort. Darunter wurde nichts weiter sichtbar als die Bettmatte aus dicht geflochtenem, weichem Schilf, die auf

Weitere Kostenlose Bücher