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Richter 07

Richter 07

Titel: Richter 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gulik
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der Angelegenheit entschließe, möchte ich gern mehr über jene alten Gerüchte wissen, von denen Eure Tochter sprach. Ist meine Annahme richtig, daß sie das Gerücht meinte, Ihr habet vor dreißig Jahren Tau Pan-tes Vater Tau Kwang getötet, weil er Euer Nebenbuhler in einer Liebesaffäre war?«
    Feng straffte sich in seinem Stuhl. Ernst sagte er:
    »Ja, Euer Gnaden. Unnötig zu betonen, daß es böswillige Verleumdung ist. Ich habe Tau Kwang, meinen besten Freund, nicht getötet. Wahr ist, daß ich damals in die Blumenkönigin, die Kurtisane Jadegrün, sehr verliebt war. Mein Herzenswunsch war, sie zu heiraten. Ich war fünfundzwanzig Jahre alt und gerade zum Amtsvorsteher auf der Insel ernannt worden. Und mein Freund Tau Kwang, zu jener Zeit neunundzwanzig, liebte sie auch. Er war verheiratet, jedoch nicht besonders glücklich. Indessen störte der Umstand, daß wir beide in Jadegrün verliebt waren, unsre Freundschaft nicht. Wir hatten vereinbart, daß jeder mit allen Mitteln versuchen sollte, sie für sich zu gewinnen, daß aber der unterliegende Freier gegen den glücklicheren keinen Groll hegen möge. Merkwürdigerweise schien sie aber abgeneigt, ihre Wahl zu treffen; sie schob ihre Entscheidung immer wieder hinaus.«
    Er zögerte weiterzusprechen und rieb sich bedächtig das Kinn. Dem Anschein nach war er mit sich uneinig, wie er weiterreden sollte. Schließlich sprach er:
    »Ich glaube, es ist besser, ich erzähle Euer Gnaden die ganze Geschichte. Heute erkenne ich, daß ich das schon vor dreißig Jahren hätte tun sollen. Aber ich war eben blind vernarrt, und als ich zur Vernunft kam, war es zu spät.« Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Also, nach Tau Kwang und mir war noch ein anderer Bewerber auf dem Plan, nämlich der Kunsthändler Wen Yüan. Er versuchte, sich bei ihr in Gunst zu setzen, nicht weil er sie liebte, sondern aus eitlem Geltungstrieb. Er wollte beweisen, daß er ein ebensolcher Lebemann sei wie ich oder Tau. Er bestach eine der Zofen von Jadegrün, um durch sie zu erfahren, ob wir, Tau oder ich, bereits Jadegrüns heimliche Liebhaber wären. Dann, gerade zur Zeit, als Tau und ich Jadegrün zu einer Entscheidung drängten, erfuhr Wen durch die bestochene Zofe, daß ihre Herrin schwanger sei. Wen hinterbrachte diese Neuigkeit sofort Tau und flüsterte ihm ein, ich sei der heimliche Liebhaber, und Jadegrün und ich hätten ihn, Tau, an der Nase geführt. Bestürzt kam er zu mir ins Haus gelaufen. Doch da er ein verständiger, gerecht denkender Mensch war, wenn auch ein bißchen jähzornig, kostete es mich nicht viel Zeit und Mühe, ihm beizubringen, daß ich keinen intimen Umgang mit ihr gehabt habe. In der Folge besprachen wir, was nun zu tun sei. Ich wollte mit Tau vor sie hintreten, ihr erklären, daß wir von ihrer Liebe zu einem anderen Mann wüßten und sie deshalb auch nicht weiter behelligen möchten. Sie solle uns frank und frei sagen, wer diese dritte Person sei, weil wir ihre Freunde zu bleiben wünschten, bereit, ihr bei auftretenden Schwierigkeiten beizustehen.
    Mit meinem Vorschlag war Tau nicht einverstanden. Er hielt Jadegrün im Verdacht, zwischen uns beiden absichtlich gezögert zu haben, um mehr Geld aus uns zu pressen. Ich widersprach Tau, so etwas läge nicht in ihrem Charakter; er aber wollte nicht hören und lief fort. Nachdem er gegangen war, überdachte ich die Lage und kam zu dem Entschluß einer nochmaligen Rücksprache mit ihm, wie es mir die Pflicht gebiete, ehe sich Tau zu einer Torheit hinreißen ließe. Auf dem Weg zu Taus Haus begegnete mir Wen Yüan. Aufgeregt erzählte er mir, er habe Tau soeben aufgesucht, um ihm wichtige Nachricht zu geben: Jadegrün habe heute nachmittag ein Stelldichein im Roten Pavillon mit ihrem heimlichen Liebhaber! Tau sei schon dorthin unterwegs, denn er wolle wissen, wer der Mann sei. Aus Furcht, Tau möchte in eine von Wens hinterlistigen Fallen gehen, eilte auch ich zum Roten Pavillon, schnitt aber den Weg durch den Park ab. Als ich die Veranda betreten hatte, sah ich den Hinterkopf des in einem Stuhl sitzenden Tau. Er war im Wohnzimmer. Ich rief ihn beim Namen, doch bewegte er sich nicht. Ich trat ins Zimmer. Seine Brust war blutüberströmt, ein Dolch steckte im Hals. Er war tot.«
    Feng fuhr mit der Hand übers Gesicht. Mit leeren Augen starrte er in den Park hinaus. Sich zusammennehmend, fuhr er fort:
    »Während ich dastand und mit Entsetzen den toten Freund betrachtete, hörte ich plötzlich draußen im Gang sich

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