Rico, Oskar und der Diebstahlstein
Lanka auch so aussah, und sofort kriegte ich Sehnsucht nach Mama. Die hatte es bestimmt gerade besser als ich. Ich war nur auf einer halben Insel und sie immerhin auf einer ganzen, und sie hatte einen ganzen Mann bei sich und ich nicht mal einen halben.
Ich schlitterte und stolperte den Abhang runter. Ein paar Meter entfernt lag eine braun gebrannte Frau in einem blauen Badeanzug vor einem regenbogenbunten Windfang. Sie hatte mir interessiert zugeschaut. Wahrscheinlich purzelte nicht allzu oft ein Kind mit Hund aus dem Wald runter an die Küste. Ich wollte sie schon fragen, in welche Richtung es zurück nach Prerow ging, als Oskars Vorwurf mir einfiel, ich würde zu wenig selber denken.
Also schaute ich mich um.
Ãberlegte.
Und es war einfach.
Natürlich ist es einfach, Watson! Wenn man an diesem langen Strand entlangschaut, gibt es zur einen Seite weniger und zur anderen immer mehr Menschen. Daher muss, wo diese vielen Menschen sich aufhalten, auch der Zugang zum Strand sein, denn die meisten Leute sind faul und laufen selbst im Urlaub nicht gerne weit. Und wenn es der Hinweg zum Strand ist, ist es gleichzeitig auch der Rückweg.
Da, bitte sehr â Schluss mit tiefbegabt!
Ich ging zu der Frau. Sie glänzte vor lauter Sonnenöl. Ihr Körper war dermaÃen damit eingeschmiert, dass ich überlegte, ob sie schön saftig bleiben wollte, wie ein Steak in einer Pfanne voller heiÃem Fett. Vielleicht wollte sie aber auch nur, dass ihr Urlaubsbraun nicht aus ihr rauslief. Ich stellte mich vor sie. Ich platzte fast vor Stolz.
»Darauf wären Sie nicht gekommen, stimmtâs?«, sagte ich.
»Worauf?«
»Dass ich von selber draufkomme!«
Sie drückte sich ein Stück auf den Ellbogen hoch und kniff die Augen zusammen. »Von selber auf was?«
»Auf den Rückweg.«
»Ehm ⦠Nee, hätte ich nicht. Herzlichen Glückwunsch.«
Ich zeigte groÃzügig mit einer Hand den Abhang rauf. »Falls Sie also mal aus dem Dschungel kommen und nicht wissen, in welche Richtung es weitergeht â¦Â«
»Schon klar.« Sie nickte langsam. »Dann frag ich dich.«
Das wäre ein gutes Ende der Unterhaltung gewesen, aber ich sah, wie Porsche hinter der Frau das Beinchen an ihrem Windfang hob. Ausgerechnet!
»Ehm ⦠dürfte ich mich ein wenig zu Ihnen setzen, während ich mir die Schuhe ausziehe?«, sagte ich schnell.
Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte ich mich neben sie in den Sand und zog meine Schuhe aus. Einer der Schnürsenkel hatte sich verpfriemelt und lieà sich nur schwer aufknoten. Ich hasse so was. Ich bin nicht gut mit Knoten.
»Wo sind deine Eltern?«, sagte die Frau.
»Mein Vater ist von einem Fischtransporter überfahren worden.«
»Um Himmels willen!« Sie richtete sich noch ein Stück weiter auf. »Doch nicht hier auf der Insel?«
»Nee.« Während ich vorne ungeduldig an dem Schnürsenkel zerrte, rieselte mir jetzt hinten auch noch Sand in die Hose. »In Neapel. Und meine Mutter ist auf Sri Lanka. Da gibt es von achtzehn bis zweiundzwanzig Uhr Getränke für umsonst. Wussten Sie das?«
Endlich löste sich der blöde Knoten. Ich zog die Schuhe aus, stopfte sie rasch in den Rucksack und lugte dabei rüber zu Porsche. Der war auch fertig. Auf dem Windfang prangte ein kleiner nasser Fleck.
»Sri Lanka, hm?« Die Frau guckte plötzlich irgendwie lauernd am Strand entlang und dann zu mir. »Okay, Kleiner. Wo ist die versteckte Kamera?«
Ganz klarer Fall von Sonnenstich. Garantiert hatte sie sich sogar den Kopf mit ihrem Ãl eingeschmiert, und jetzt war ihr eine Sicherung durchgeknallt. Woher sollte ich wissen, wo ihre Kamera versteckt war?
»Keine Kamera?«, sagte sie nach einer Weile.
Ich schüttelte bloà sehr vorsichtig den Kopf. Ich hatte die Wildschweine überlebt und Hannibal Lecter. Ich wollte jetzt nicht wegen einer Frau mit Sonnenbrand im Gehirn sterben. Sie guckte mich noch ein bisschen an, bevor sie kurz nickte, sich wortlos wieder auf den Rücken legte und die Augen schloss.
Mein lieber Schwan!
Vielleicht wäre ich in der Nähe geblieben und hätte noch ein bisschen zugeguckt, wie sie weiter durchbrannte, wenn Porsche nicht gewesen wäre. Er dackelte einfach los in Richtung Wasser. Die Wellen waren hier viel gröÃer als am Strand von Prerow, das hatte ich sofort gesehen. Aber was es am Strand von Prerow nicht gab
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