Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
ihrer Anwesenheit in den Rucksack. Sie schaute sich noch einmal kurz in ihrem Lager um und erschrak: das Bild. Schnell nahm sie den Zettel mit den verblassten Strichen vom Nachttischhocker und steckte es in ihren Geldbeutel.
Die Motorengeräusche schienen näher zu kommen. Es waren mehrere Fahrzeuge. Schon vor 14 Tagen störte abends das Auto mit dem Pärchen. Die beiden hatten sich wohl verfahren. Und wie die Frau reagiert hatte, als der Nebel sich so schnell verzogen hatte! Sie selbst hatte damals keine Gelegenheit mehr gehabt, in die dunkle Sicherheit zu verschwinden, also blieb sie einfach stehen. Bei Nebel, so hatte sie die Erfahrung auf ihren Streifzügen gemacht, war das oft die beste Deckung. Aber wer bewegte sich jetzt, nachmittags, durchs Ried, abseits der befahrbaren Wege? Das waren keine Jugendlichen, die schwarzfuhren und ihr fahrerisches Können im Ried erprobten. Diese Motorengeräusche hörten sich offiziell an. Vorsichtig schlich sie, die Deckung immergrüner Nadelgehölze und herbstbunter Sträucher nutzend, der störenden Melodie der Fahrzeuge entgegen. Wahrscheinlich Arbeiter. Sie duckte sich hinter einer schiefen Tanne, deren flache Wurzeln krampfhaft versuchten den Baum zu halten und beobachtete die Szene. Sie erschrak. Polizei! Schon wieder! Menschen stiegen aus Fahrzeugen aus, da von hier ab der Weg nicht mehr befahrbar war. Sie folgten einem kleinen Mann, dem wiederum eine Blonde neben einem Großen hinterher lief, danach folgten Polizisten in Uniform. Der Kleine an der Spitze schien sich wiederum an seinem Handy zu orientieren. Im Schutz der Tannen folgte sie der diskutierenden Prozession. Dann schienen sie da zu sein. Am Ort wartete ein Paar Skistockwanderer in Trainingsanzügen auf sie. Die Frau deutete aufgeregt auf den Boden.
Die attraktive Blondine, die sie schon auf dem Hof gesehen hatte, und der große, gut aussehende Mann schienen Anweisungen zu geben.
Fotografen fotografierten. Menschen in Uniform mit signalfarbenen Bändern sperrten ab. Nach einer längeren Prozedur hob ein Mann mit Handschuhen und einem weißen Overall etwas großes Graues vom Boden auf.
Ein Totenschädel grinste, nachdem ihn der Mann zur ersten Begutachtung langsam gedreht hatte, genau in die Richtung der heimlichen Beobachterin und starrte sie aus dunklen Höhlen an.
Die geduckte Gestalt wollte aufspringen und einfach vom Ort fliehen. Sie zwang sich zur Ruhe und versuchte so viel wie möglich aus ihrem sicheren Versteck mitzubekommen. Sie wusste aber auch, dass sie die Hütte aufgeben musste, schon bald würde die Polizei das ganze Ried durchsuchen und auch auf ihre Unterkunft stoßen. Vermutlich würden sie sogar Hunde mitbringen. Die Gegend war sehr unsicher geworden. Es gab ja noch die anderen Verstecke. Auf dem Fränkel-Hof würden nun die Aktivitäten ebenfalls zunehmen. Die Luft wurde dünner. Langsam zog sie sich zurück.
Sie hörte gerade noch, wie der Mann im weißen Overall einem Kollegen zurief:
»Der Schädel kommt mir komisch vor. Die Form, die Form, tzzzz.«
»Habt ihr schon was vom Rest entdeckt?«
»Nein, keine Spur.«
»So wie das aussieht, liegt der Schädel schon lange hier. Da kann der Rest überall liegen, die Tiere verschleppen alles.«
17 Riedfrieden
Die Psalmen
88:6 Ich bin zu den Toten hinweggerafft, wie Erschlagene, die im Grabe ruhen; an sie denkst du nicht mehr, denn sie sind deiner Hand entzogen.
In der Schwäbischen Zeitung, die den Oberschwaben so sehr ans Herz gewachsen war, las man auf der ersten Seite als Aufmacher:
Schrecklicher Leichenfund im Ried
Von unserem Mitarbeiter Erwin Zuder
(ez)
Zwei Nordic-Walker aus der Psychosomatischen Klinik in Bad Saulgau fanden am gestrigen Vormittag auf der Gemarkung Ostrach im Pfrunger-Burgweiler Ried einen noch nicht identifizierten, skelettierten, menschlichen Schädel. In einem mit der Schwäbischen Zeitung geführten Interview gab die Walkerin zur Aussage, sie wäre geradezu über den Totenschädel gestolpert.
Nach Aussagen der Kommissarin Krieger werden zurzeit keine Personen in der Region Oberschwaben vermisst. Hauptkommissar Härmle war aus gesundheitlichen Gründen zu keiner Aussage bereit. Ob ein Zusammenhang mit dem Mord an der russlanddeutschen Schülerin Alexandra Hold besteht, die am Freitag, dem 10. Oktober von einem Kind im Ried auf der Gemarkung Riedhagen aufgefunden wurde, ist laut Polizeiaussagen noch nicht geklärt. Die Ermittlungen sind gerade erst eingeleitet und die Untersuchungen des Schädels
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