Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
in-halt-lich.«
Betroffen schaute mich das gemeinsame Auge der Klasse an.
»Na ja, das war alles etwas viel. Das mit Alexandra. Und jetzt noch ein weiterer Leichenfund, Leichenteilfund. Sollen wir uns um 15 Uhr an der Riedwirtschaft treffen?«
Die Klasse nickte und schluckte kumulativ. Die Mädchen kramten nach Papiertaschentüchern in ihren monströsen, bunten Schulhandtaschen. Die Jungs räusperten sich.
Dunkel blickten die Fenster der hochgiebeligen Riedwirtschaft, die vor über 100 Jahren als Kantine für die Torfstecher erbaut wurde. Der kleine Parkplatz war schon übervoll. Seit Alexandras sterbliche Überreste in Wandernähe der Gastwirtschaft gefunden worden waren, boomte das kleine Ausflugslokal. Sehr zum Leidwesen von Frieda, die in ihrem Goldenen Ochsen einen Besucherrückgang zu vermelden hatte.
Ein glänzend blau-silbernes, autoritätssprühendes Polizeiauto parkte schon vor der malerischen Riedwirtschaft. Die Schülergruppe hatte sich fast vollständig eingefunden. Tobi und Sergej fehlten immer noch.
»Kennen Sie den Weg, Herr Bönle?«
»Sollen wir nicht zuerst was trinken?«
Der lauffaule, übergewichtige Rolf deutete zum Gebäude.
»Vielleicht nachher, wir gehen zuerst mal zu Alexandras Gedenkkreuz.«
Mit der Hand machte ich ein Zeichen, mir zu folgen. Neugierig beobachteten uns die Gäste, die die nachmittägliche Herbstsonne in der Gartenwirtschaft genossen. Im Gänsemarsch ging es in südwestlicher Richtung über schmale Pfade durch Birken- und Tannenwäldchen und allerlei Gesträuch ins Ried hinein. Immer wieder öffneten sich kleine Lichtungen. Die Schüler machten sich einen Spaß daraus, in kleinen Gruppen gemeinsam hochzuspringen, um den weichen Riedboden in Wellen schwingen zu lassen. Je näher es zum Fundort von Alexandras Körper ging, desto stiller wurde die Gruppe.
Dann standen wir plötzlich, den Trampelspuren folgend, vor dem weißen Kreuz, das die Eltern von Alexandra in den weichen Boden gespießt hatten.
»Was ist denn das?«
Die Schüler standen ratlos vor dem, was sie sahen.
»Wer hat das wohl da hin gehängt?«
Bruno deutete auf ein ehemals weißes Feinrippunterhemd, das mit seinen Trägern an den horizontalen Kreuzbalken eingehängt, den Eindruck eines gespensterhaften Gekreuzigten vermittelte. Als die Schüler das kleine Farbfoto, das die lachende Alexandra zeigte, am Kreuz betrachteten, fing ein gemeinsames Schniefen an. Die Klasse trauerte um ihre Mitschülerin. Ich zog mein kariertes Stofftaschentuch aus der Hosentasche, ich mochte keine Papiertaschentücher. Sie lagen überall herum.
»Herr Bönle, was soll denn das mit dem Unterhemd und was bedeutet eigentlich RIP?«
»Rest in peace«, schluckte Bruno.
»Hää?«
»Ruhe in Frieden.«
»Ach so.«
»Oder«, schob ich lehrerbesserwisserisch ein, »lateinisch: requiescat in pace, er, sie, es möge in Frieden ruhen.«
»Aaah, warum er, sie, es, Alexandra war doch ein Mädchen. Aber was soll das zweite P in Klammern?«
»Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit und die Sache mit dem zerschnittenen Unterhemd verstehe ich auch nicht.«
Nachdenklich kratzte ich mich am Hinterkopf und betrachtete den dunkel umrandeten Einschnitt auf der linken Seite der feingerippten Wirkware. Zwischen den Trägern der Schiesser Unterwäsche am Kreuzungspunkt vom senkrechten Holzpfosten und der Querlatte prangten die Buchstaben:
RIP(P)
Sie waren mit dunkelbrauner Farbe laienhaft auf das helle Kreuz gemalt worden.
»Das ist unheimlich«, flüsterte die leicht bekleidete Vicky und verschränkte fröstelnd die Arme über ihrer Brust.
Die Schüler spekulierten, was es mit den geheimnisvollen Zeichen auf sich haben könnte und kamen zu den abstrusesten Ergebnissen.
»Das Foto von Alex ist bestimmt von den Holds, vielleicht wussten sie einfach nicht, wie man das richtig schreibt und haben dann sicherheitshalber ein P in Klammern gesetzt.«
»Schwachsinn, das heißt bestimmt was ganz anderes, zum Beispiel, Rache ist Pein.«
»Und das zweite P? Pein schreibt man ja nicht mit zwei P am Anfang.«
»Vielleicht sind das Namen, Rosi, Ingrid, Paul und Peter?«
»Nein das heißt: Rolf ist ein pfundiger Pfundskerl.«
Der dicke Rolf packte einen Stecken vom Boden und raste wie eine Nilpferdmutter in kindsschützender Not auf den blonden, grinsenden Sven zu.
»Lasst den Quatsch, seid mal ernst.«
»Das heißt Raster Image Processor«, bemerkte die gut gebaute Anita.
»Wie bitte?«, fragte ich erstaunt.
»Ja, das hatten
Weitere Kostenlose Bücher