Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
auf die Knie fallen und versuchte das Seil, das seinen Hals wie ein zu straffer Gürtel faltig einschnürte, zu lockern. Ich hatte keine Chance.
»Dein Messer!«, schrie Cäci verzweifelt.
Schon hatte ich mein H. P. Klötzli Walker Red Bone Custom Knife mit der Griffschale aus strukturiertem Knochen in der Hand. Mit einer raschen Daumenbewegung und einem knackigen Geräusch sprang die neun Zentimeter lange, hohlgeschliffene, matt glänzende Klinge aus ATS-34 High-End-Stahl aus dem Griff des Messers heraus. Cäci hatte mir das Messer zu meinem Geburtstag geschenkt. Ich war ihr damals schon unendlich dankbar dafür, jetzt umso mehr. Denn das war wirklich ein Männermesser.
An und für sich bin ich ja kein so ein Edelprodukt-Hauptsache-teuer-Freak. Gut, ein Motorrad sollte nicht unbedingt aus Japan kommen, die Cowboystiefel sollten auch nicht vom Discounter stammen, und das Taschenmesser sollte nicht der Sonderpreis aus der Losbude vom Bächtlefest sein. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn man sparsam ist, aber pietistischer Geiz, der hat mich immer schon gestört. Man muss doch nicht im Supermarkt eine eingeschweißte Glutamat-Currywurst mit beachtlichem Gammelfleischanteil samt grau-brauner Soße um ein paar Cent kaufen, wenn man auf dem Marktplatz, zwar deutlich teurer, ein hochwertigeres, wohlschmeckenderes Produkt, vom freundlichen, gut gebauten Fleischerfachfraufräulein handgebraten käuflich erwerben kann. Nicht zu unterschätzen, der kommunikative Aspekt: Durch den Supermarkt hetzen vereinsamte Hausfrauen, sie drängeln sich unauffällig an der Kasse vor, die stählernen Einkaufswagen sind gefüllt mit Alkohol, Dosen-Ravioli, Alkohol, eingeschweißter, fettarmer Billigwurst, Alkohol, Päckchensuppen, Alkohol und eingeschweißter Currywurst. Für die Kinder, sagen sie, sei die Currywurst. Das stimmt sogar. Die vereinsamten Hausfrauen wundern sich dann, wenn ihre 13-jährigen Töchter ohne Mang-Implantate einen fünf Mal so großen Busen haben wie Dolly Buster vor ihrer Rückgängigmachoperation. Auch wiegen diese 13-jährigen Töchter meist das Doppelte, wenn nicht das Dreifache ihrer 45-jährigen, magersüchtigen und alkoholabhängigen Mütter. Und das kommt alles nur von der eingeschweißten Currywurst.
Die wenigsten Menschen sind bereit, diesen einfachen Zusammenhang zu erkennen. Ja, wo ist jetzt da der Unterschied zur Marktstand-Currywurst, fragen sie? Das ist ganz einfach: Da muss die fette, unzufriedene, heftig pubertierende 13-Jährige zuerst einmal hinlaufen und das ist mit so viel Übergewicht eine sportliche Höchstleistung. Sie verbrennt auf dem beschwerlichen Marsch zur Currywurstbude schon so viele Kalorien, wie die gute, nicht zu fette Wurst überhaupt hat. Weil sie nun recht erschöpft ist, die Teenagerin, hat sie auch nicht so viel Hunger, außerdem enthält diese Currywurst keine appetitsteigernden Zusatzmittel. Läuft der übergewichtige, weibliche Teenager nun die Strecke wieder zurück, so sind schon wieder etliche Fettzellen des Teenies verbrannt. Würde der fette Teenager jeden Tag diese Currywurst essen, hätte er nach einem Vierteljahr Normalgewicht.
Und noch etwas, weil es einfach wichtig ist: Hat der fette, weibliche Teenager die andere Currywurst, also die eingeschweißte, von der magersüchtigen, alkoholabhängigen Mutter bekommen, so hat der Teenager nach dem Verzehr dieser Currywurst erstaunlicherweise noch mehr Appetit. Glutamat und andere geheime Stoffe lösen im dicken Gehirn der dicken, unzufriedenen Teenagerin den Wunsch aus, noch drei von den Ekeldingern wegzuhauen. Was auch ohne Probleme funktioniert, weil die vom Einkaufen und Alkoholtrinken genervte Mama nun ihre Ruhe haben will – bei einem kleinen Prosecco. Also schiebt sie der Tochter, um des lieben Frieden Willens, noch zwei oder besser noch drei der Kunststoffwürste in die Mikrowelle. Und schon hat die übergewichtige Teenagerin noch mehr Übergewicht, und wird noch ein bisschen unzufriedener.
Im Gegensatz dazu steht man bei jedem Wetter – das härtet ab, das Immunsystem wird aktiviert – in geselligem Halbkreis an winzigen, blitzeweißen Stehtischchen – im Sommer empfiehlt sich eine Sonnenbrille für den Genuss einer Currywurst – um den fahrbaren Currywurststand herum. Heiteres Gelächter umfängt die kulinarische Fangemeinde. Genervte Gesichter lockern ihre Muskulatur und werden weich und freundlich. Gemeinsames Schmatzen und weit nach vorn gebeugtes Stehen, damit die köstliche Soße
Weitere Kostenlose Bücher