Riedripp: Kriminalroman (German Edition)
Droste-Hülshoff, eigentlich hieß sie ja mit ganzem Namen, Anna Elisabeth Franzisca Adolphina Wilhelmina Ludovica Freiin von Droste zu Hülshoff … aaalso: Der Knabe im Moor. Oh schaurig ists übers Moor zu gehn, wenn es wimmelt vom Heiderauche, …
»Häää Heidenrauche?«
»Jetzt hört einfach mal gut zu, das ist sehr spannend, wie ein Krimi … Fest hält die Fibel das zitternde Kind …«
»Hä, was?«
»Die Fibel, ein Schulbuch.«
»Gehen hier die Kinder ins Ried zum Lernen?«
»Psst, hört gut zu, jetzt erreicht der Spannungsbogen gleich seinen Höhepunkt … Und rennt, als ob man es jage; Hohl über die Fläche sauset der Wind – Was raschelt drüben am Hage?«
»Hä, was Hagen?«
»Zaun! – … Das ist der gespenstische Gräberknecht, der dem Meister die besten Torfe verzecht; Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind! Hinducket das Knäblein zage …«
»Voll doof, das mag ich nicht. Gabs früher auch schon Rinderwahnsinn?«
»Wie bitte, warum Rinderwahnsinn? Ihr habt wohl nichts begriffen?«
Beleidigt legte der Oberstudienrat sein Büchlein auf den Tisch:
»Das ist doch auch hier recht schön, nicht? So einen Blick hätten wir in der Riedwirtschaft nicht. Sag doch auch mal etwas, Gabi! Schatz!«
Mit Hilfe eines winzigen Spiegels zog Gabi-Schatz akkurat ihre Lippen mit dem Stift nach.
»Angenehm mild ist es heute Abend, fast wie im Sommer. Und lass doch die Kinder mit deiner antiquierten Lyrik in Ruhe. Das bedarf doch einer kindgerechten Interpretation. Ich finde die Droste eh zum Kotzen.«
Die Kinder waren aufgestanden und zur Holzwippe an der Hecke gerannt.
Die Mutter rief ihnen besorgt nach:
»Aber nicht hinter die Hecke steigen, es ist schon dunkel. Man weiß hier auf dem Land nie, was dahinter ist.«
Ihr Gatte konterte:
»Ach, was soll da schon passieren, mehr als in Kuhdung treten bestimmt nicht.«
Von der Hecke her riefen die Kinder plötzlich aufgeregt durcheinander:
»Mama, da hinten läuft der gespenstische Weberknecht aus dem Buch, von der, die du zum Kotzen findest.«
»Wie bitte? Gräberknecht, der Knecht, der den Torf sticht. Siehst du, Gabi, was du nun angerichtet hast, ich wollte eigentlich, dass meine Kinder längstmöglich von der Fäkalsprache verschont bleiben. Wir haben doch Vorbildfunktion.«
»Das ist mir egal, Papa, ob Weberknecht oder nicht, auf jeden Fall läuft dort hinten ein Gespenst.«
»Kinder, lasst den Unsinn, wir bezahlen, dann gehen wir. Gabi, hol die beiden! Es war eine lange Fahrt, die beiden sind ganz durcheinander.«
Die Gattin zupfte ihr gelbes Leinenkostüm zurecht und trippelte unsicher, auf Zehenspitzen mit ihren Stöckelschuhen durchs Gras zu ihrem aufgewühlten Nachwuchs.
»Sigbert, komm schnell, das musst du gesehen haben. Das ist wirklich eigenartig. Die Kinder haben recht.«
Sigbert bewegte sich schwerfällig zur Ligusterhecke, die Fahrt steckte noch in allen Knochen. Als er jedoch über die Hecke sah, beschleunigte er seine Schritte.
»Das gibts doch nicht, das ist ja unheimlich.«
Die wenigen Gäste, die in der Gartenwirtschaft saßen, bewegten sich neugierig zur Hecke.
»Frau Wirtin, kommen Sie schnell, das müssen Sie gesehen haben! Was ist das?«
Mit Freude hatte die Wirtin des Goldenen Ochsen die Aufregung im Außenbereich zur Kenntnis genommen. Nun ging sie besorgt zum Stammtisch und fuchtelte mit den Armen:
»Kommt schnell raus, da stimmt was nicht, da ist was passiert! Vielleicht braucht jemand Hilfe. Irgendwas ist im Ried unten los!«
14 Personen standen nun dicht an Friedas Liguster und starrten mit offenen Mündern ins dunkle Ried. Lediglich eine Person stand abseits und grinste.
Sigbert wurde immer aufgeregter:
»Frau Wirtin, was ist das für eine Erscheinung? Wer erlaubt sich so einen makabren Scherz mit uns?«
Frieda winkte ab:
»Ach was, das ist nichts, das ist normal, die kommt immer wieder mal.«
»Wer ist die? Das ist doch bestimmt ein Dorfschabernack?«
»Nein, das ist sie, das ists Riedweible. Die geht hier um, vermutlich eine, die der Schwaaze Vere seinerzeit bussiert hat. Oder es sind die Geister von denen, die im Ried umgekommen sind. Und das sind nicht wenige, das Ried hat schon viele geholt! Da ist ja auch in letzter Zeit einiges passiert.«
Karsten war verwirrt:
»Papa, ich versteh die Frau nicht.«
»Die redet Schwäbisch.«
»Warum reden die hier Schwedisch?«
»Schwäääbisch, das ist ein Dialekt, hier im Süden.«
»Papa, schau, jetzt ist sie weg.«
Auf einmal war die
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