Riemenschneider
erhielt er freie Hand für den Italienfeldzug, weil er dem Waffennarr zusagte, neben der französischen Artillerie auch Kanonen aus den Gießereien Nordtirols einzusetzen.
»Kein Feldherr vor mir war so erfolgreich«, sinniert Karl vor sich hin. »Ich könnte auch die Heerfahrt fortsetzen, bis mein Name heller erstrahlt als alle Sterne am nächtlichen Firmament.«
»Bei Gott, Sire«, entfährt es dem Ratgeber, »fordert das Schicksal nicht heraus. Da wäre noch ein Grund, der für einen sofortigen Rückzug spricht.«
Von einem Atemzug zum nächsten verschlechtert sich wieder die Laune des Königs. »Was verschweigst du mir?«
Der Weise bittet mit dringlichem Wedeln der Hand hinter seinem Rücken den obersten General vorzutreten. »Berichte von der Unbill!«
Nach einigem Zögern gesteht der sonst so direkte ehrbare Haudegen mit verlegener Stimme: »Sire, unsere Söldner sind krank. Fieber, Geschwüre, furchtbare Kopfschmerzen. Einige sind außer sich, ja, mit Wahnvorstellungen laufen sie herum.«
»Pest?« Noch enger drückt sich Karl an die Rücklehne. »Ist es der Schwarze Tod?«
»Nein, das wäre unser aller Ende. Gott bewahre uns vor der Pest!«
»Nun sag es schon!«
»Die Ursache ist unsern Feldärzten bekannt, doch wissen sie kein Heilmittel.« Der General nimmt Haltung an, als müsste er sich so für die Wahrheit stärken. »Sire, diese Krankheit wird beim Verkehr, will sagen beim Lustverkehr, übertragen. Unsere Söldner sind von ihr befallen, täglich sterben mehr; auch die Bewohner von Neapel leiden an dieser Krankheit und haben schon viele Todesfälle zu beklagen. Ohnmächtiger Zorn breitet sich in der Stadt aus. Die Flüche gelten Euch, Sire. Das Volk beschuldigt Euch, Ihr hättet Neapel mit der Franzosenkrankheit vergiftet.
Da schnellt Karl bis zur Kante des Stuhls vor. »Sie sollen es nicht wagen. Nicht ›mal français‹, sondern ›mal napolitain‹. Die unsauberen italienischen Weiber haben meine Männer angesteckt.« Nun stampft er mit den Stiefelabsätzen auf die Fußbank. »Abzug! Keinen Tag länger will ich in dieser Stadt weilen. Lasst die Fanfaren blasen. Zurück nach Frankreich!«
In der Ebene von Parma, am Ufer des Taro, wartet das Heer der Liga auf den Erretter des christlichen Abendlandes. Es kommt zu einer letzten furchtbaren Schlacht. Am Abend neigt sich die Waage dem Franzosen zu. Sieg! Doch um welchen Preis? Die Verluste an Männern sind hoch, schwerer jedoch leidet Karl am Verlust aller Beuteschätze, selbst sein persönlicher Prunk ist in die Hand der Feinde gefallen.
Und wenige Tage später schleppt sich ein kampfesmüder, enttäuschter Haufe über die Alpen. Voran trabt Karl, der Mantel hängt ihm verknittert um die eingesunkenen Schultern, der breitkrempige Hut auf dem großen Kopf ist beschmutzt vom italienischen Schlamm. Hin und wieder bläht sich träge das Banner des Kriegsherrn mit dem Wahlspruch: »Missus a Deo!« Ja, Gott hat ihn ruhmlos heimgeschickt in die französischen Lande. »Voluntas Dei!« Weil Gott es so gewollt hat.
Worms
Reichsversammlung. Schon seit März 1495 dauert das Ringen der Reichsstände mit Maximilian I. »Gib dem Lande endlich inneren Frieden, Recht und Gericht!« Im August scheinen alle Kompromisse gefunden. Reformgesetze werden niedergeschrieben. Der Ewige Landfrieden wird verabschiedet. Keine Fehde mehr! Ganz gleich, wie schwer Beleidigung, Schändung oder jedwedes Vergehen auch wogen, niemand darf sich mehr selbst das Recht nehmen, die Tat zu sühnen. Wehe dem Jähzornigen! Wehe dem Rachsüchtigen! Hohe Strafen drohen bei Missachtung. Wer Unrecht begeht, wer den Frieden bricht, soll sich ans Gericht wenden. Zu diesem Zweck wird das Reichskammergericht eingerichtet, mit Befugnissen, die nicht vom Herrscher abgesegnet werden müssen. »Dann finanziert Ihr die Richter auch aus Eurem eigenen Säckel!«, schmollt König Max. Die Kurfürsten denken nicht daran. Wieder brandet Streit auf. Doch der Herrscher bleibt hart, und bald ist die Lösung erzwungen. »Wir erheben eine Kopf- und Vermögenssteuer für jeden Bürger. Ob Mann, ob Frau, ab dem 15. Lebensjahr hat jeder Steuern zu bezahlen, dafür dass er lebt, und wächst sein Vermögen, so soll er auch davon abgeben.« Ein Griff in die immer und immer wieder geplünderte Schatztruhe des Volkes. Der Bürger soll zahlen. Doch dieses Mal nicht zum Wohl der einzelnen Landesherren oder Klöster. Nun nimmt ihm das Reich direkt das sauer verdiente Geld aus der Tasche. Und ein Name ist für die neue Reichsabgabe
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