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Riemenschneider

Riemenschneider

Titel: Riemenschneider Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Röhrig
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nicht. Gewiss, Frau Hedwig hat das Talent einer guten Kupplerin, aber ihre Fäden reichen nicht bis hinauf ins Wahlgremium der Kapitelherren. Til nickte freundlich hinüber, ihr Kinn jedoch blieb gereckt.
Gemessenen Schritts betrat der wohlgenährte Bevollmächtigte des Bischofs in Begleitung des Domdechanten den Saal. Gleich verstummten die halblaut geführten Gespräche, alle Augen richteten sich auf den fürstlichen Marschall. Seine Begrüßung war knapp, er öffnete die lederne Mappe. »Wir haben uns heute hier versammelt …« So oft schon wiederholt, verfiel die Stimme beim Aufzählen der Bedingungen in einen Singsang: Mitglied im Rat der Stadt Würzburg durfte ein Mann nur werden, der geschworener Bürger war, der sich nichts hatte zu Schulden kommen lassen … Er durfte nur einer der vierundzwanzig Ratsmitglieder werden, wenn nicht sein Vater, Bruder oder Sohn auch dieses Amt bekleideten … Weil der Sitz auf Lebzeit eingenommen wurde und lediglich in Ausnahmefällen dem Inhaber entzogen werden konnte, waren der Ratsherr wie auch die Bürger verpflichtet, beim Aufzug eines neuen Bischofs diesem sofort Huldigung zu leisten. Außerdem sollte er … Es folgte Pflicht auf Pflicht.
Til nahm mit einem Mal den Mund des Marschalls wahr, das füllige, beinah kinnlose Gesicht, jede Bewegung der Lippen versetzte den fleischigen Halswulst in Schwingung. Das ist mein Philippus für die Nischen der Marienkapelle, dachte er, genau dieses Gesicht werde ich dem Apostel geben.
»Erhebe dich!«
Die Aufforderung brachte Til zwar zurück, weil er ihr aber nicht gleich folgte, geriet die Litanei ins Stocken, blickte ihn der Bevollmächtigte des Bischofs über dem Rand der Ledermappe leicht ungehalten an. »Erhebe dich!«
Til wuchtete sich aus dem Sessel, ganz aufgerichtet überragte er den Marschall um Kopfeslänge, der trat einige Schritte zurück, wollte mit dem Abstand das Missverhältnis der Größe ausgleichen. »Schwöre bei Gott …«
Feierlich hob Meister Tilman Riemenschneider die Hand und gelobte seinem Bischof und Fürsten wie auch dem Domkapitel demütigen Gehorsam und versprach, das Amt des Ratsherrn gewissenhaft auszuüben.
Als wollte der Marschall den Schlusspunkt unter dem Dokument allen zu Gehör bringen, schloss er mit gedämpftem Knall die Ledermappe und löste damit den Applaus der Anwesenden aus.
Til nahm die Glückwünsche des Domdechanten lächelnd entgegen, nahm auch die dargebotene Hand des fürstlichen Marschalls und musste bei dem weich fleischigen Druck wieder an seinen Apostel Philippus denken.
Kaum hatten die hohen Herren sich entfernt, als nun Stadträte und Freunde auf ihn zu drängten. Aus den Augenwinkeln nahm er Frau Hedwig wahr, wie sie nach vorn gebeugt eilig durch die Gratulanten pflügte, ihr Ziel war Anna an seiner Seite. Trotz des anwachsenden Stimmengewirrs hörte er nur zu deutlich. »Liebste, meine Liebste. Wie ich mich für dich und deinen Gatten freue. Ach, da hat sich meine Mühe doch bezahlt gemacht.«
Unvermittelt stieg Til der Geruch des Flohpulvers wieder unangenehm in die Nase.
»Du ahnst ja nicht, wie sehr ich mich für den Meister eingesetzt habe. Aber glaube mir, Liebste, wenn einer diese Ehre verdient, dann ist er es …«
Mehr vermochte er nicht zu verstehen, denn nun überhäuften ihn die Lobessträuße, und er war beschäftigt mit Händeschütteln und immer aufs Neue sagte er: »Danke« oder »danke, sehr freundlich.«
»Mein Freund.« Bürgermeister Suppan ergriff seinen Arm und befreite ihn aus dem Pulk. Eng nebeneinander verließen die beiden Männer, gefolgt von Hedwig und Anna, den großen Saal, hinter ihnen reihten sich die Teilnehmer der Zeremonie ein.
Draußen auf dem Flur hatten einige Bürger ausgeharrt. Sie applaudierten dem neuen Ratsherren. Eine aber stand nur da, die Hände vor dem hellgrünen Kittelkleid gefaltet, der Blick gefüllt mit Stolz, so jubelte ihm Magdalena zu. Doch er plauderte mit Georg Suppan und nahm sie nicht wahr.
Vor dem Gebäude der Domherren löste sich die Festgesellschaft auf. »Viel Glück, Meister, für morgen bei der ersten Sitzung im Rathaus.« Viele schlossen sich dem Wunsch an und winkten ihm noch einmal zu, ehe sie in Richtung Domstraße, Fischmarkt oder Sander Straße davoneilten.
Til dachte an die erdrückende Arbeit in der Werkstatt. Lange würden die Gramschatzer nicht mehr auf ihren Gnadenaltar warten wollen. Er blickte Georg Suppan an: »Das wäre geschafft. Wir treffen uns dann …«
»Sehr trocken war die Luft da oben«,

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