Riemenschneider
Du und deine Freundin, ihr schuldet mir zwei Pfennige.« Ehe Florian mit dem Kopf schütteln konnte, drohte ihm schon der Zeigefinger. »Hör auf zu leugnen. Wenn ich es sage, dann stimmt’s. Also wir würfeln um die ganze Summe. Die höhere Zahl gewinnt. Bist du besser, dann hast du keine Schulden mehr, hab ich mehr Augen, dann bekomme ich vier Pfennige von dir …«
Katharina wurde bang. »Aber wir haben doch nichts, gar nichts …« »Ärgere mich nicht, du kleines Luder. Dein Vater hat bestimmt irgendwo im Haus einen ganzen Sack voll Geld und Goldstücke, wenn da ein paar Pfennige fehlen, fällt das gar nicht auf. Und jetzt sei still.« Er wählte genau und gab Florian einen der beiden aus Knochen geschnitzten Würfel in die Hand. »Du fängst an.«
Der Junge umschloss ihn, öffnete die Finger, und eine Drei lag im Barett.
Lange schüttelte Bermeter seinen Glücksbringer in den hohl geschlossenen Händen, hinter dem rechten, dem linken Ohr, über dem Kopf, er warf den Würfel hoch, bleich schimmerte er beim Herunterfallen in die Mütze. »Und was siehst du da?« Bermeter tätschelte den Nacken des Jungen und bog ihn mit dem Gesicht über die Mütze.
»Sechs Punkte.«
»Das will ich meinen. Jetzt bekomme ich schon vier Pfennige von dir. Nicht traurig sein. Du bist doch ein tüchtiger Bursche. Hab ich recht?«
Florian zog den Kopf zwischen die Schultern.
Aufmunternd wuschelte ihm Bermeter durchs Haar. »Ich mein’s nur gut mit dir. Deshalb sollst du deine Chance haben. Wir spielen noch mal. Diesmal um vier Pfennige, wenn du gewinnst, ist alles gut.«
Und Florian würfelte eine Fünf, doch zu wenig, denn nach Beschwörungen und Reiben zwischen den Handflächen warf Bermeter wieder eine Sechs.
Katharina riss die Augen auf. »Acht Pfennige.« Vor Entsetzen verschluckte sie sich beinah an der Summe.
Der Spielmann stubste den Jungen spielerisch gegen die Brust. »Bald gehörst du mir. Nein, Spaß beiseite. Kannst du zahlen?«
Schweiß stand Florian auf der Stirn. »Nein.«
»Macht nichts, ich warte, bis du es dir vom Meister Til besorgt hast oder von deiner Mutter.«
»Nein, nicht.« Seine Stimme geriet ins Wanken. »Ich weiß überhaupt nicht, wie das gekommen ist. Entschuldige, bitte …«
»Na gut, weil ich dich wirklich mag, versuchen wir es ein letztes Mal. Es geht um alles.«
»Lass uns weglaufen, Florian«, wimmerte Katharina, »bitte, hör doch!«
»Wenn du meinen Rat wissen willst, dann hör niemals auf Weiber. Die bringen dich nur durcheinander.« Bermeter klaubte den Würfel, mit dem er gerade gewonnen hatte, aus der Mütze und reichte ihn dem Jungen. »Nur Mut.«
Florian merkte nicht, dass dieses beinerne Klötzchen etwas schwerer war als das andere, er nahm jetzt auch beide Hände zu Hilfe, schüttelte, seine Augen glänzten fiebrig, der Würfel fiel und die Sechs lag oben. »Gewonnen!« Er beugte sich über das Barett und lachte die Augen an.
»Moment. Vielleicht werfe ich genauso gut.« Trotz aller seltsamen Verbeugungen gelang Bermeter nur eine Vier. Florian hüpfte, schlug die Fäuste gegeneinander. Er reckte die Brust und sah Katharina an. »Keine Schulden mehr.«
»Lass uns gehen«, flüsterte sie ihm zu.
»Halt, halt.« Bermeter hob den Zeigefinger. »So einfach kommt ihr mir nicht davon. Ich habe Florian vorhin eine Chance gegeben, jetzt will ich auch eine.« Schon überreichte er ihm den Würfel. »Das wirklich letzte Spiel.«
Katharina unterdrückte den Schrei. Ihr Held aber stimmte zu, und in seinem Blick stand eine Mischung aus Tollkühnheit und Furcht. Wieder gelang ihm ein Sechser, wieder verlor Bermeter. Florian benötigte einige Augenblicke. »Und jetzt?«
Der Spielmann zuckte mit den Schultern. »Du hast zwei Pfennige gewonnen.« »Wirklich?«
Bermeter zückte die Münzen und drückte sie dem Jungen in die Hand. »Da nimm. Spielschulden sind Ehrenschulden, die müssen bezahlt werden.«
»Was treibt ihr da?« Beim Klang der Stimme fuhren die Kinder herum. An der Absturzstelle des Drachens stand Magdalena, sie winkte, und auch die drei Rotschöpfe im Leiterwagen ruderten mit den Ärmchen. Nur einen Moment zögerte Magdalena, dann hatte sie erkannt, wer da mit ihrem Sohn und dem Mädchen sprach. »O verflucht.« Die drei Kleinen erhielten den Befehl, nicht aus dem Karren zu klettern, und schon näherte sich Magdalena im Sturmschritt. »Weg da. Geht weg von dem Kerl!«
Bermeter lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stein. Er wedelte mit der Hand. »Nun gehorcht schon!« Weil Florian zögerte,
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